(4.5.2020) Seit Beginn der Gedenkfeiern in Bleiburg/Pliberk in den 1950ern war eine mehr oder weniger offene positive Bezugnahme auf die Ustaša und des von ihnen beherrschten NDH-Staates Teil der Gedenkfeier. Wie Akten der österreichischen Staatspolizei zeigen, waren sich die österreichischen Behörden der Problematik bewusst, ließen die "Exilkroaten" allerdings in gewissem Rahmen gewähren.
Österreichische Behörden und das Ustaša-Gedenken
Es ist der Vormittag des 11. Mai 1975. Auf dem Friedhof in Unterloibach/Spodnje Libuče haben sich 35 Exilkroaten [2] versammelt. Nach einem Totengebet durch den Priester Vilim Cecelja ergreift auch ein Teilnehmer der Gedenkfeier das Wort, was für die österreichischen Behörden unerwartet geschieht. Er erinnert an die „gefallenen Brüder“, als er jedoch die Gegenwart anspricht, wird er durch einen Vertreter der Behörden kurzerhand unterbrochen.[3]
Einschlägige Organisatoren
Der Charakter der Gedenkfeiern verwundert wenig, wurde doch der Bleiburger Ehrenzug (PBV – Počasni Bleiburški vod), der die Feier organisiert, 1953 von ehemaligen Ustašen gegründet. Viele der Mitglieder und Funktionäre des PBV waren in der Armee des faschistischen NDH-Staates aktiv, so auch der Eigentümer des Grundstücks in Loibach/Libuče Ilja Abramović.[5] Offizieller Ansprechpartner der Behörden war mangels Rechtspersönlichkeit des PBV lange Zeit Vilim Cecelja, ehemaliger Militärkaplan der Armee des NDH-Staates, enger Vertrauter des Diktators Ante Pavelić und zentrale Figur bei der Flucht von NS-Kriegsverbrechern vor Verfolgung durch die Alliierten (Link). Am Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich Cecelja in Salzburg und wurde im Oktober 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht im Lager Glasenbach, einem Lager für mutmaßliche Funktionäre der NSDAP und Kriegsverbrecher, interniert, bevor er im Mai 1947 an die Bundespolizeidirektion Salzburg überstellt wurde.[6] Als im Jahr 1948 die letzten Internierten das Lager Glasenbach verließen, nahm in Salzburg die „Kroatische Mission“ ihre Arbeit auf. Vilim Cecelja leitete die kroatische Gemeinde in Salzburg bis zu seinem Tod 1989 (Link).Einschlägige Symbolik
Lange Zeit achteten die Behörden darauf, dass zumindest nach außen der Schein einer rein kirchlichen Veranstaltung gewahrt bleibt. Vilim Cecelja und andere führende Akteure wurden in den 1960er und 1970er Jahren mehrmals belehrt, sich bei den Gedenkfeiern nicht politisch zu äußern. Peter Miloš wollte trotzdem mehrmals sowohl bei der jährlichen Gedenkfeier im Mai als auch bei jener zu Allerheiligen eine Rede halten, was ihm allerdings regelmäßig untersagt wurde.[14] In der Regel durfte nur Vilim Cecelja neben seiner Predigt während der Messe in der Pfarrkirche von Unterloibach/Spondnje Libuče eine kurze Rede am angeschlossenen Friedhof, wo sich ein Grab mit den sterblichen Überresten mehrerer NDH-Soldaten befindet, halten. In seinen Predigten und Reden, die in den uns vorliegenden Akten überliefert sind, bewegte sich Cecelja am Rande dessen, was die österreichischen Behörden zuließen. So erinnerte er zum Beispiel daran, dass die „Opfer nicht umsonst gewesen [seien], für die Lebenden eine Verpflichtung zur Verwirklichung desjenigen, wozu die Gefallenen den Grundstein gelegt haben“.[15]Einschlägige Besucher
Die Teilnehmer des Treffen kamen bereits in den 1960ern und 1970ern aus der ganzen Welt. Ein regelmäßiger Besucher war Branimir Jelić, ein weiterer enger Vertrauter von Ante Pavelić. Nach 1945 gründete er in Deutschland das Kroatische Nationalkomitee (Hrvatski narodni odbor, HNO), dessen Organ Hrvatska Država (Der Kroatische Staat) sehr ausführlich über die Gedenkfeiern in Loibach/Libuče berichtete. Am 1.11.1968 hielt er auch eine kurze Rede in Loibach/Libuče, die er mit dem Ausruf „Ehre den Gefallenen für die Freiheit Kroatiens“ schloss. Anschließend verlieh der PBV Jelić einen Orden.[24]Behördliche Reaktionen
Nachdem in den frühen Jahren der Gedenkfeiern die Behörden wenig eingriffen, häuften sich Ende der 1960er Jahre Beschwerden aus Jugoslawien, weshalb sich die österreichischen Behörden gezwungen sahen, verstärkt „politische Betätigung“ bei der Gedenkfeier zu verhindern. Als beispielsweise Peter Miloš im November 1969 plant, eine Rede zu halten, die den „Serbo-Kommunismus“ brandmarken soll, drohten die Behörden damit, die Feier als Versammlung zu betrachten und sie aufzulösen.[27] Auch 1972 wird den Veranstaltern gedroht, die Gedenkfeier zu untersagen, sollten Teilnehmer weiter offen Symbole der Ustaša zur Schau zu stellen.[28]Fazit
Nicht erst in den letzten Jahren wurde das Treffen am Loibacher Feld/Libuško polje zum Anziehungspunkt von Rechtsextremen aus ganz Europa. Bereits in den frühen Jahren wurde in Bleiburg/Pliberk mehr oder weniger offen dem faschistischen NDH-Staat nachgetrauert, Gäste mit NDH-Vergangenheit und Kriegsverbrecher waren gern gesehene Gäste. Die österreichischen Behörden waren sich der Problematik des Treffens bewusst, ließen die Emigranten jedoch unter dem Deckmantel einer kirchlichen Feier gewähren, solange gewisse „rote Linien“ nicht überschritten wurden. Eingegriffen wurde, wenn überhaupt, nur aus Rücksicht gegenüber dem südlichen Nachbarn Jugoslawien.Quellen
[1] Thomas Riegler: Österreichs geheime Dienste. Vom Dritten Mann bis zur BVT-Affäre. Wien 2019
[2] Hier wird der Terminus der uns vorliegenden Akten verwendet. Als „Exilkroaten“ bezeichneten die österreichischen Behörden jene Personen, die gegen Ende oder auch nach dem zweiten Weltkrieg nach Österreich flohen und hier aus politischen Gründen um Asyl angesucht haben, unabhängig ihres Geschlechts.
[3] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration. Allgemeines. Muttertagsfeier am 11.5.1975 in Loibach. Jugoslawischer Protest, 5. Juni 1975, in ÖStA/AdR BMI 16.200/39-II/7/75
[4] Christian A. Nielsen: The Yugoslav State Security Service and the Bleiburg Commemorations, in: Croatian Political Science Review, Vol. 55, 2018, S. 50-70
[5] Vjeran Pavlaković, Dario Brentin, Davo Pauković: The Controversial Commemoration: Transnational Approaches to Remembering Bleiburg, in: Croatian Political Science Review, Vol. 55, 2018, S. 7-32
[6] Bundesministerium für Inneres: Meldung der Abteilung II/7 über Cecelja Wilhelm, geb. 24.4.09 vom 3.4.1981, in ÖStA/AdR BMI 16.200/53-II/7/77
[7] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration; Abhaltung von Gedenkgottesdiensten in Kärnten am 10.4.1966, in ÖStA/AdR BMI 26.841-17/66
[8] Bundesministerium für Inneres: Unabhängigkeitsfeiern aus Anlaß des 10.April am 11.4.1971 in Salzburg, in ÖStA/AdR BMI 25.240-17/71
[9] Bundesministerium für Inneres: Vorgänge im österr.-italienischen Grenzgebiet, Grenzabschnitt Gailtal/Kärnten; Milos Peter, Verdacht des Schmuggels, in ÖStA/AdR BMI 61.938-2/50
[10] Bundesministerium für Inneres, Fernschrift der BPD Klagenfurt vom 29.11.1956, in ÖStA/AdR BMI 188.051-2/1956
[11] Laut zentralem Vereinsregister des BMI wurde die Gründung des Vereins erst 1983 bei den Behörden angezeigt, bis 2004 firmierte er unter dem Namen Hrvatsko kulturno društvo Bleiburg (Kroatischer Kulturverein Bleiburg), vgl. dazu Pavlaković et al 2018.
[12] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration. Verein „Bleiburger Ehrenzug“, Karacic Mirko, Martinovic Niko, Abramovic Ilija, Milos Peter, Delic Adam und Vrabac Karl. Verdacht auf Teilnahme an einer geheimen Gesellschaft, in ÖStA/AdR BMI 40.223-17/71
[13] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier aus Anlaß der 25. Wiederkehr der Bluttat am „Bleiburger-Feld“, am 10.5.1970 in Loibach/Ktn, in ÖStA/AdR BMI 25.736-17/70
[14] Siehe dazu u.a. die Meldung der Zentralen Evidenzstelle (ZEST) über Peter Miloš in ÖStA/AdR 27.394-17/68
[15] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 1.11.1969, in ÖStA/AdR BMI 43.267-17/69
[16] Bundesministerium für Inneres: „Jugoslawische Vorstellungen wegen angeblicher Ustascha-Manifestationen in Österreich“, in ÖStA/AdR BMI 44.786-17/65
[17] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration. Allgemeines. Muttertagsfeier am 11.5.1975 in Loibach. Jugoslawischer Protest, 5. Juni 1975, in ÖStA/AdR BMI 16.200/39-II/7/75
[18] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 10.5.1970, in ÖStA/AdR BMI 29.523-17/70
[19] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 1.11.1970, in ÖStA/AdR BMI 40.659-17/70
[20] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 1.11.1971, in ÖStA/AdR BMI 38.694-17/71
[21] Brief von Außenminister Rudolf Kirchschläger an Innenminister Otto Rösch von 23. März 1971, in: ÖStA/AdR BMI 27.573-17/71
[22] Bundesministerium für Inneres: Exilkroaten; geplante Totengedenkfeier am 9.4.1972, in: ÖStA/AdR BMI 16.200/2a-17/72
[23] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration – Allgemeines; Geplant gewesene Gedenkfeier der Kroatischen Emigration am 9.4.1972 in Loibach. Abhaltung einer Meßfeier am 9.4.1972 in Klagenfurt, in ÖStA/AdR BMI 16.200/4a-17/72
[24] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 1.11.1967 und Muttertagsfeier in Loibach/Ktn. am 12.5.1968, in ÖStA/AdR BMI 27.394-17/68
[25] Alexander Slusarcyk: Willkommen in Kärnten, in: Arbeitskreis gegen den Kärntner Konsens (Hg.): Friede, Freude, deutscher Eintopf. Rechte Mythen, NS-Verharmlosung und antifaschistischer Protest. Wien 2011.
[26] Bundespolizeidirektion Klagenfurt: Bericht betreffend Verein „Landsmannschaft der Kroaten – Matija Gubec“ mit dem Sitz in Klagenfurt. Jahreshauptversammlung, in: ÖStA/AdR BMI 25.736-17/70
[27] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Gedenkfeier in Loibach/Ktn. am 1.11.1969, in ÖStA/AdR BMI 43.267-17/69
[28] Bundesministerium für Inneres: „Kroatische Emigration“. Verwendung von Fahnen und Emblemen, in ÖStA/AdR BMI 27.73-17/71
[29] Bundesministerium für Inneres: Kroatische Emigration. Allgemeines. Muttertagsfeier am 11.5.1975 in Loibach. Jugoslawischer Protest, in ÖStA/AdR BMI 16.200/39-II/7/75