Wer wann und wie oft die Gedenkstätte in Bleiburg/Pliberk besucht, lässt sich nicht sagen. Manche Gruppen und Organisationen gehen damit aber so offen um, dass man nicht mal lange recherchieren muss. So auch die kroatisch-katholische Gemeinde Salzburgs. Fast zwei Wochen vor dem diesjährigen Gedenken in Bleiburg/Pliberk, am 1.5.2018, unternahmen die kroatisch-katholische Gemeinde und der Kulturverein Vilim Cecelja einen Ausflug zur Grabstätte Vilim Ceceljas. Am Rückweg stattete man noch der Büste Vilim Ceceljas und der Gedenkstätte am Loibacher Feld/Libuško Polje einen Besuch ab. Dokumentiert ist das Ganze auf Facebook. Schon bei den Namen Stepinac und Cecelja sollte man stutzig werden und es zeigt sich klar mit welchem politischen Spektrum man es hier zu tun hat: Die Gemeinde selbst ist nach Aloisius Stepinac benannt, dem Bischof von Zagreb und Militärvikar der NDH-Armee. Stepinac begrüßte den NDH, im Verlauf des Krieges kritisierte er zwar dessen Methoden, aber nie seine Ziele. Beim Kulturverein wird es dann noch besser: Dieser ist nach Vilim Cecelja benannt, einem Ustaša-Priester, stellvertretenden Militärvikar der NDH-Armee, enger Vertrauter wie auch Beichtvater Ante Pavelićs und zentraler Mitorganisator der Rattenlinie (siehe: Artikel zur Rattenlinie). Wer dessen Grab einen solchen Besuch abstattet, kann nichts anderes im Sinn haben als ihn zu ehren. Es scheint also sinnvoll einen genaueren Blick auf diese beiden Organisationen und ihr Umfeld zu werfen. Dabei muss nicht tiefgehend recherchiert werden: Allein schon ihre Außendarstellung spricht Bände.
Website des Dachverbands der kroatischen Vereine. Links unten eingebettet: Das Lied "Lijepa li si" des neofaschistischen Musikers Thompson. (Screenshot; 21.10.2018)
Folklore, Gottesdienste, Ustaša & Thompson
Die „Kroatisch katholische Pfarrgemeinde des seligen Kardinal Aloisius Stepinac“ - so der offizielle Name der Gemeinde - befindet sich in Salzburg am Mirabellplatz 5. Ihre Räumlichkeiten finden sich an dieser Adresse und in der nebenan gelegenen Andräkirche, welche sich ebenfalls am Mirabellplatz befindet und als Stadtpfarrkirche Salzburgs fungiert. In dieser Kirche finden auch jeden Freitag und Sonntag die kroatischen Gottesdienste der Sonderseelsorge, so ihr offizieller kirchenechtlicher Status, statt. Zweigstellen unterhält die Pfarrgemeinde in Radstadt, Golling, Kufstein, Zell am See (Schüttdorf), Mittersill und St. Johann im Pongau. Bei der Adresse Mirabellplatz 5 handelt es sich allerdings nicht um irgendein Haus: Es ist das Stadtpfarramt, in dem die kroatisch-katholische Gemeinde Unterkunft gefunden hat. Ihre Räumlichkeiten teilt sie sich, laut Facebook, mit dem Kulturverein Vilim Cecelja und dem Kroatischen Zentrum. Alle drei geben zumindest diese Adresse auf Facebook an.
Von ihren Aktivitäten berichten die drei Organisationen auf ihren Facebookseiten. Der Kulturverein gibt sich hauptsächlich, zumindest nach außen hin, folkloristischem Gedünkel hin: Fotos und Videos von Auftritten oder Veranstaltungen zeigen Menschen in Tracht bei Tanzvorführungen. Anscheinend durfte man auch bei den Festspielen auftreten: Beim alljährlichen Fackeltanz (von Brauchtumsgruppen aus dem Land Salzburg) zur Eröffnung der Festspiele war der Kulturverein dabei. Auch Fotos von gemeinsamen Ausflügen finden sich. Das Kroatische Zentrum besitzt zwar eine eigene Facebookseite, teilt auf dieser jedoch fast nur Fotos und Posts der Gemeinde und des Kulturvereins. So scheint es als ob es sich beim Kroatischen Zentrum lediglich um den Namen für einen Teil der Räumlichkeiten der katholisch-kroatischen Gemeinde handelt. Spannender wird es dann auf der Website und der Facebookseite der Gemeinde: Alois Stepinac ist überall allgegenwärtig und es finden sich Fotoalben der 70-Jahres-Feier (1948-2018, dazu später mehr), dem Ausflug nach Bleiburg/Pliberk und zum Grab Ceceljas, dem Besuch der kroatischen Präsidentin und anderer Veranstaltungen. Immer mit dabei: Die Mitglieder des Kulturvereins, wie auf etlichen Fotos zu sehen ist. Der aktuellste Ausflug (Stand: 25.9.2018) stellt eine Pilgerreise zur Marienwallfahrtstätte Lourdes dar. Beim Gruppenfoto darf die NDH-Fahne natürlich nicht fehlen.
Von der Website der Gemeinde wird man unter anderem weiter auf den Dachverband der kroatischen Vereine Salzburgs verwiesen. Auch hier ist die politische Stoßrichtung klar: Scrollt man ein wenig nach unten, erscheint auf der linken Seite ein von YouTube eingebettetes Video des Musikers Thompson mit dem Lied „Lijepa li si“. Thompson, Marko Perković, ist ein rechtsextremer Musiker, der sich nach seiner Waffe während des Kroatienkrieges benannte. In seinen Liedern glorifiziert er die Ustaša und den NDH. Abgesehen davon, dass es sich auf der Website der kroatischen Vereine Salzburgs um ein Lied von Thompson handelt und allein schon das keiner weiteren Erklärung bedürfen sollte, handelt es sich nicht nur um irgendein Lied. Hier wird im Refrain ein Großkroatien besungen: „Oh Zagorje du bist schön, Slawonien du bist goldig, Herceg-Bosna, stolzes Herz, Dalmatien mein Meer, Eine Seele (sind) wir beide, Gruß an Lika, Velebit, mein Stolz, Schön bist du“.
Neben der kroatisch-katholischen Gemeinde und einem Ableger der HDZ sind Fußballvereinigungen, Schachclubs und andere Freizeitzusammenschlüsse Mitglieder. Auch ein Ehrenmitglied hat der Verband: Niko Kovac, ehemaliger Fußballspieler (u.a. Bayern München, Red Bull Salzburg) und ehemaliger Trainer der kroatischen Nationalmannschaft (2013-2015). Neben mehreren Veranstaltungen zum kroatischen Unabhängigkeitstag, gibt es auch einen Beitrag zu einem Besuch einer Delegation aus Vukovar mit dem Zweck Spenden für den Wiederaufbau des Wasserturms von Vukovar zu sammeln, ein „Symbol des Heimatkrieges, Widerstand und Symbol der kroatischen Einheit.“. Zu diesem Zweck wurde auch ein großes Fest veranstaltet.
Bei ihren Außenauftritten und in ihrer Namensgebung zeigen diese Vereine und Organisationen also offen ihre politische Einstellung. Die kroatisch-katholische Gemeinde nimmt in diesem Netzwerk die zentrale Stellung ein. Sie wurde gegründet und im Laufe der Zeit entstanden um sie herum eine Vielzahl kroatischer Vereine. Es lohnt sich also die Geschichte der Gemeinde und vor allem die Darstellung ihrer Entstehung genauer zu betrachten.
Detail der Ausstellung im Schaufenster der Räumlichkeiten am Mirabellplatz 5. Zu sehen sind die besagte Tafel, die Votivtafel in Mariazell, das Buch über Vilim Cecelja und eine kurze Information zur Zeitschrift Glasnik.
Aus den Täter_innen werden Opfer
Wie schon vorhin kurz erwähnt feiert die Gemeinde dieses Jahr (2018) ihr 70-Jahres-Jubiläum. Zu diesem Zweck wurde in einem Schaufenster der Räumlichkeiten am Mirabellplatz 5 eine kleine Ausstellung eingerichtet, die die Geschichte der Gemeinde erzählt. Dort finden sich mehrere Tafeln, immer auf Kroatisch und Deutsch. Eine davon ist besonders interessant: Auf ihr wird dem in den Jahren 1943 bis 1969 amtierenden Erzbischof von Salzburg, Andreas Rohracher, für seine Unterstützung gedankt. Die kroatische und die deutsche Version dieser Tafel unterscheiden sich jedoch stark. Auf der deutschen Tafel wird kurz von den kroatischen Flüchtlingen nach Kriegsende 1945 in Salzburg berichtet: Sie seien vor dem Kommunismus geflüchtet um nicht in den Massengräbern Sloweniens oder „Todeskolonnen“ zu enden. Hier wird schon deutlich, dass es sich dabei um Ustaša und Sympathisant_innen des NDH handelte, denn sie hatten vor den Partisan_innen aufgrund ihrer Taten tatsächlich etwas zu befürchten. Warum davon sicher ausgegangen werden kann, steht weiter auf der Tafel: „hundert Kroaten“ waren im Lager Marcus W. Orr interniert. Dieses Lager, auch Lager Glasenbach genannt, war ein Gefangenensammellager der US-amerikanischen Streitkräfte für Kriegsverbrecher_innen und Nationalsozialist_innen. [1] Die kroatische Gruppe sei „ohne Hilfe und Schutz“ in Salzburg gelandet und fürchtete ihre Auslieferung. In dieser Zeit, so geht es auf der Tafel weiter, hätte Andreas Rohracher sie stark unterstützt, sie auch später weiterhin unterstützt und ist Zeit seines Lebens immer ein Freund der Kroat_innen geblieben. Wenig verwunderlich, denn Rohracher machte sich nach 1945 einen Namen wegen seiner Bemühungen Nazis zu helfen und eine Aussöhnung mit diesen statt einer Bestrafung zu erwirken. [2] Auf der kroatischen Tafel hingegen steht nicht der Dank an Rohracher im Vordergrund, sondern das Leiden der Kroat_innen: Die Flüchtlinge seien „in ständiger Gefahr heimtückischer Seelen“ gewesen und in dieser Zeit konnte man sich an Rohracher wenden. Zur Anfangszeit in Salzburg und zur Zeit im Lager Marcus W. Orr „berichtet“ die Gemeinde:
„Diese Tage sind uns allen in tiefer Erinnerung geblieben. In den überfüllten Baracken von Lehen, der anderen Gruppe gegenüberstehend, die vor Hass schäumte auf alles was Kroatisch ist, leidend vor Hunger und Armut, wartend darauf was die Zukunft bringt. Diese war ungewiss – mehr schwarz als hell. Schließlich gewann das Übel. In einer dunklen Nacht ging die „Schwarze Maske“ durch die Baracken. Das vermummte Antlitz zeigte auf seine Opfer, die aufgeteilt wurden auf das Lager von Marcus W. Orr in Glasenbach, um dort hinter Zäunen gut zwei Jahre auf ihr Schicksal zu warten. Wie immer kamen jene um, die nicht ans Licht hinausdurften – denn während wir stets Stirn voran jenen begegnen, die uns hassten, gingen diese hinter dem Rücken und mit einer Maske auf uns zu.“ (eigene Übersetzung)
Die hinterhältigen dunklen Kräfte, „das Übel“, überstellten also die armen Flüchtlinge in das schreckliche Lager. Angesichts des eliminatorischen Antisemitismus der Ustaša kann dieses Gerede wohl nicht anders interpretiert werden, als das hier von der jüdisch-kommunistischen Weltverschwörung die Rede ist. Eines unnatürlichen Todes wird übrigens niemand im Lager Glasenbach umgekommen sein: Es zeichnete sich unter anderem durch seine guten Haftbedingungen aus. [3] Nachdem Ende 1946 die Wachmannschaft durch österreichische Gendarmerie ersetzt und ab diesem Zeitpunkt das Lager schrittweise an die österreichischen Behörden übergeben wurde, verließen am 6. Jänner 1948 die letzten Internierten das Lager. [4] Im Jahr 1948 nahm die Kroatische Mission, wie sie damals hieß, ihre Arbeit auf. Cecelja, welcher sich zu Kriegsende in Österreich befand wurde von Oktober 1945 bis Dezember 1947 im Lager Glasenbach interniert und blieb bis zum Ende seines Lebens in Salzburg. Wie schon erwähnt war er eine der zentralen Figuren der Rattenlinie, welche in Salzburg begann.
Über die weitere Geschichte der Gemeinde erfährt man in der Ausstellung nicht mehr viel: Die Gemeinde hielt ihre Gottesdienste, mit einer kleinen Ausnahme aufgrund von Restaurierung, bis ins Jahr 1997 in der Kirche Mülln ab. Spannender wird es, wenn man sich die anderen Ausstellungsstücke näher anschaut: Hier finden sich zwei Bücher, ein Bild einer Votivtafel in Maria Zell und ein Hinweis auf die Zeitschrift Glasnik, welche, laut der Gemeinde, auch in Exil-Communities in Australien, USA und Kanada verteilt wurde. Bei einem der Bücher handelt es sich um ein Buch über Vilim Cecelja, was nicht sonderlich verwundert. Beim zweiten Buch um eine Publikation zum 70-jährigen Bestehen der Gemeinde. Das Buch mit dem Titel „Sedamdeset godina hrvatskog dušobrižništva u Nadbiskupiji Salzburg“ besticht durch sein nüchternes, aber aussagekräftiges Cover: Auf diesem befindet sich ein schwarz-weiß Foto einer Gruppe von Menschen, welche ein Bild eines Geistlichen tragen und dabei zwei kroatische Fahnen mit dem NDH-Schachbrett-Wappen zeigen. Dazu passt auch wunderbar das Foto der Votivtafel in Mariazell. Auf der Tafel selbst findet sich folgende Inschrift: „Die kroatischen Flüchtlinge in Österreich verehren die allerheiligste Jungfrau Maria und erbitten ihre Fürsprache für die Befreiung des kroatischen Volkes vom Kommunismus“. Über der Inschrift thront das NDH-Schachbrett-Wappen. In der Ausstellung wird also völlig ungeniert gezeigt aus welchem politischen Lager man kommt und wo man sich verortet. Auf der Website der Gemeinde findet sich noch eine detaillierte Beschreibung ihrer Geschichte, diese nachzuerzählen würde aber den Rahmen sprengen und stellt genug Stoff für einen eigenen Text dar.
Mit Unterstützung von Land & Kirche feiert es sich gut
Die Gemeinde fühlt sich sicher ihre Einstellung offen zur Schau zu stellen. Schließlich hat man auch genug Rückendeckung: Abgesehen davon, dass die Gemeinde an die Kirche angeschlossen ist, bekommt man auch mehr oder weniger hohen Besuch. Beim Gottesdienst zum 70-jährigen Jubiläum waren der Weihbischof Hansjörg Hofer und der Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) anwesend. Der Gottesdienst war dem Andenken an Alois Stepinac gewidmet, der laut Hofer „bis zu seinem Tod am 10. Februar 1960 für die Rechte der Christen eingetreten ist". Haslauer dankte dem Pfarrer Zlatko Spehar: „Sie geben der Kroatischen Gemeinde ein starkes Gesicht nach außen". [5] Ein starkes Gesicht nach außen gibt auch die Außendarstellung und die Ausstellung der Pfarrgemeinde – der positive Bezug auf Ustaša und NDH ist unübersehbar. Seine Rede hielt Haslauer auch am richtigen Ort dafür: Auf einem Podest, das mit dem Bild Stepinacs geschmückt wurde.
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