Politischer Druck und Vereinsumbau

    (20.07.2020) - Kürzlich wurde der Verein „Bleiburger Ehrenzug“ umgebaut – durchaus nicht zum ersten Mal: Genau genommen kommt das beim Verein, der das jährliche Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk organisiert, sehr oft vor. Erkennen lässt sich auch ein Muster: Immer wenn Verein oder Feier selbst im Fokus der Öffentlichkeit stehen, wird der Verein umgebaut.

    Wir haben uns bereits 2018 einen dieser auffälligen Vereinsumbauten angesehen. Damals wurde Bože Vukušić aus öffentlichen Funktionen entfernt – nicht, weil man ihn entmachtet hätte, sondern weil die Katholische Kirche Kärntens auf die Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner nicht ganz so tadellosen Vergangenheit aufmerksam geworden ist. Siehe den Artikel „Auffällige Veränderungen im Verein“ (2018).

    Der aktuelle Vereinsumbau steht wohl im Zusammenhang mit dem Entschließungsantrag im Nationalrat. Dort wurde am 09.07.2020 ein Antrag von vier Parteien (ÖVP, SPÖ, Grüne, Neos) gemeinsam eingebracht und mit großer Mehrheit – diese vier Parteien stellen zusammen 83% der Abgeordneten – angenommen. Der Antrag, der den Innenminister auffordert, das Treffen im Jahr 2021 und danach zu verbieten, nimmt in einem Unterpunkt auch den Verein und seine aktuellen Aktivitäten in den Blick.

    Entschließungsantrag und Parlamentarische Anfrage

    Am 29.05.2020 wurden im Plenum mehrere Entschließungsanträge zum Ustaša-Treffen eingebracht: Der Antrag 604/A(E) von SPÖ/Neos zu „Untersagung der ultranationalistisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk“[1] und der Antrag 618/A(E) von ÖVP/SPÖ/Grüne/Neos zu „Untersagung der Feier im Gedenken an das ‚Massaker von Bleiburg‘“[2]. Die Unterschiede beider Anträge sind im Detail zu vernachlässigen. Insgesamt bedeutend und ein relevantes politisches Statement ist der Antrag, der auch von den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne zusammen mit der Opposition beschlossen wurde. Für die Organisatoren des Ustaša-Treffens war er ein gehöriger Schuss vor den Bug.

    Die Anträge wurden nach dem Beschlus im Plenum dem Innenausschuss zugewiesen. In dessen Sitzung am 03.06.2020 wurde die Behandlung der Anträge vertagt,[3] was von den zuständigen Sprecherinnen von SPÖ und Neos stark kritisiert wurde.[4] Insbesondere wurde moniert, dass der Kauf von neuen Grundstücken in Bleiburg/Pliberk durch den Verein ein schnelles Agieren der Politik erfordere und eine Vertagung dem Verein ermögliche, alles noch schnell über die Bühne zu bringen.[5] Allerdings waren sich anschließend nicht einmal Grüne Mitglieder des Innenausschusses so sicher, warum die Vertagung eigentlich nötig war, wie Debatten auf Twitter nahelegen.[6]

    Der Innenausschuss tagte erneut am 06.07.2020. Behandelt wurden einerseits die beiden Anträge vom Mai, vor allem wurde aber ein gemeinsamer neuer Antrag 731/A(E) zur „Untersagung der Feier im Gedenken an das ‚Massaker von Bleiburg‘“, der noch schnell im Plenum vom 30.6.2020 von ÖVP/SPÖ/Grüne/Neos eingebracht wurde.[7] Diesmal wurde der gemeinsame Vier-Parteien-Antrag angenommen, kurioserweise sogar einstimmig – also auch von der FPÖ. Per OTS-Aussendung erklärte der FPÖ-Klub, dass es sich dabei um einen „Abstimmungsfehler“ gehandelt habe.[8] Dieser Antrag fordert nicht nur die Untersagung des Treffens ab 2021, sondern auch die Verhinderung neuer Grundstückskäufe durch den Verein. Die Formulierung ist zwar, wie schon beim Verbot, denkbar schwammig und unkonkret, aber bei den Verhandlungen zwischen zwei Oppositionsparteien und zwei Regierungsparteien herrscht vermutlich nicht das allerbeste Klima für rein sachliche Arbeit.

    Neben den Verweis auf die Grundstückskäufe durch den Verein „Bleiburger Ehrenzug“ im Beschluss, hat der Grüne Parlamentsklub bereits durch eine Parlamentarische Anfrage an den Innenminister vom 27.05.2020 den Verein selbst ins Visier genommen. So fragen die Grünen den Innenminister etwa, ob mit dem Vereinsvermögen, der Vereinsmeldung und den Versammlungsanmeldungen durch den Verein auch wirklich alles mit rechten Dingen zu gehe.[9]

    Während der Innenausschuss-Sitzung wurde dann auch noch ein weiterer Antrag 34/AEA zu „Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung“ eingebracht.[10]

    Schlussendlich wurden alle Anträge – Verbot des Treffen ab 2021 und Symbole-Evaluierung – am 09.07.2020 im Plenum beschlossen: Dem Antrag 81/E zu „Untersagung der Feier“ und 82/E zur „Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung“ stimmten die Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos zu, die FPÖ stimmte diesmal dagegen.[11]

    Österreichische und kroatische Medien berichteten ausführlich über den Beschluss zum Verbot ab 2021. Öffentliche Stellungnahmen des Vereins Bleiburger Ehrenzug gab es nicht. Dafür gingen im Verlauf der Plenardebatte am 09.07.2020 mehrere RednerInnen darauf ein, dass eine „Petition des Bleiburger Ehrenzugs“ an alle Abgeordnete des Nationalrats verschickt worden sei. Auch finden sich auf Facebook und sonstigen Plattformen Aufrufe sich mit Beschwerdebriefen an Abgeordnete zu wenden und entsprechende Petitionen zu unterzeichnen.[12]

    Umsetzung

    Konkret ist nun das Innenministerium am Zug, diese Aufträge des Parlaments umzusetzen. Innenminister Nehammer hat bisher einzig durchklingen lassen, dass er die „Einsetzung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe unter Einbindung des Außenministeriums und des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW)“ plane.[13] Wir sind gespannt, wann diese tagt und wer dazu eingeladen wird. „Interdisziplinär“ und DÖW lassen hoffen, dass das BMI vielleicht ausnahmsweise auch HistorikerInnen um Rat fragt. In der Vergangenheit stützte man sich dort auf zweifelhafte Recherchen auf Wikipedia und wenig überzeugende Gutachten des LVT Kärnten und der BH Völkermarkt.[14]

    Symbole-Gesetz-Verordnung

    Die Verordnung zum Symbole-Gesetz sollte tatsächlich dringend repariert werden. Zur Erinnerung: Das Symbolegesetz wurde 2018 novelliert, seither ist das Verwenden von Symbolen der „Gruppierung Ustascha“ verboten. Anstatt einfach alle Symbole der Ustaša zu verbieten – historische wie aktuelle –, behält sich das BMI vor diese per Verordnung explizit zu bezeichnen. An dieser Stelle ist das Malheur passiert: Verboten wurden jene zwei Symbole, die den Wikipedia-Artikel zu den Ustascha bebildern. Nicht verboten wurden hingegen Symbole, die die Ustaša 1941–1945 tatsächlich auch verwendet haben. Auch nicht verboten wurden Symbole, die während der Ustaša-Feier in Bleiburg/Pliberk tatsächlich Jahr für Jahr dargestellt werden. Wir werden sehen, zu welchem Ergebnis die Evaluierung der Symbolegesetz-Verordnung kommt. Eventuell findet jemand aus dem BMI ja den Weg in eine zeitgeschichtliche Bibliothek oder nimmt Kontakt zu eine*r der versierten Historiker*in auf. Mutigen Beamt*innen steht ein Blick auf unsere Liste der „Symbole auf der Ustaša-Feier in Bleiburg/Pliberk“ offen.

    Vereinsumbau

    Der Verein „Bleiburger Ehrenzug“ hat seit 23.06.2020 einen neuen Obmann: Marko Grbeša aus Klagenfurt/Celovec (Ö). Zur Seite steht ihm weiterhin Thomas Baumgärtner aus Ulm (D) als Generalsekretär. Dieser Umbau ist der bereits dritte Wechsel des Obmann-Generalsekretär-Duos in nur drei Jahren.

    Übersicht Leitung Verein „Bleiburger Ehrenzug“:
    Bis April 2017: Ilija Abramovic (Obmann), Zlatko Hasanbegović (Obmann-Stellvertreter), Bože Vukušić (Geschäftsführer)
    Ab Juni 2017: Ilija Abramović (Obmann), Bože Vukušić (Geschäftsführer)
    Ab März 2018: Vice Vukojević (Obmann), Thomas Baumgärtner (Generalsekretär)
    Ab Juni 2020: Marko Grbeša (Obmann), Thomas Baumgärtner (Generalsekretär)

    Bestellt ist der neue Obmann allerdings nur für die schon laufende Funktionsperiode, also bis März 2021. Das deutet darauf hin, dass der Vorstand nur einen neuen Obmann eingesetzt hat und es keine Generalversammlung mit Wahl gab. Was der Hintergrund für den Wechsel sein könnte, ist derzeit noch unbekannt. Auffällig ist aber, dass sowohl Vice Vukojević als auch Bože Vukušić – und damit zwei langjährige Vereinsfunktionäre und Masterminds hinter dem Um- und Ausbau der Gedenkstätte in Bleiburg/Pliberk der letzten 20 Jahre – die Petition an alle Nationalrats-Abgeordneten nicht unterzeichnet haben. Vielleicht waren beide damals gerade auf Urlaub, vielleicht gab es aber auch gröbere Unstimmigkeiten hinsichtlich des gesteigerten Drucks auf Verein und Veranstaltung.

    Thomas Baumgärtner wurde 2018 Generalsekretär des Bleiburger Ehrenzugs, 2019 kandidierte er für die CDU fürs Europäische Parlament

    Verein, der Kreide frisst

    Schon bei den früheren Umbauten in der Vereinsleitung fiel auf, dass diese vom öffentlichen Stimmungsbild gegenüber dem Verein abhängen. Der Umbau im März 2018 fiel exakt auf jenen Monat, in welchem der damalige Gurker Bischof Alois Schwarz Auflagen für Versammlungen erließ und sich des Umstands gewahr wurde, dass die Vereinsfunktionäre doch alles andere als unbeschriebene Blätter sind. Da war einerseits der Obmann Ilija Abramović, der selbst Mitglied der faschistischen Ustaša war, gleichzeitig aber Funktionen in der Katholischen Kirche Kärntens/Katoliška cerkev Koroška bekleidet.[15] Und andererseits Geschäftsführer Bože Vukušić, der 2012 im Kärntner Landtag als verurteilter Mörder bezeichnet wurde[16] und alle möglichen dubiosen Schriften zum Mythos Bleiburg und antijugoslawische Terrororganisationen herausgebracht hat. Beide verloren kurz vor der Feier 2018 ihre Funktionen, siehe Artikel „Auffällige Veränderungen im Verein“ (2018). Schon die Bestellung von Thomas Baumgärtner zum Generalsekretär sollte nach außen hin Vertrauen vermitteln und für Beruhigung sorgen: pensionierter Polizist aus Ulm (D, Baden-Württemberg), Funktionär in der dortigen kroatischen Gemeinde und Soli-Kandidat für die CDU zur EP-Wahl 2019. Ihm sollte man dann auch Glauben schenken, wenn er 2018 der Kronen-Zeitung versichert: "Wir sind keine Ustascha, wir sind keine Neonazis! Wir distanzieren uns davon!"[17] Eine ähnliche Wirkung soll wahrscheinlich nun auch die Bestellung von Marko Grbeša zum Obmann des Vereins für Medien, Politik und Öffentlichkeit haben. Und tatsächlich ist Grbeša zur Abwechslung mal eine Vereinsleitung ohne HOS-Flaggen im Facebook-Profil und nicht als Autor Ustaša-apologetische Bücher oder Statements bekannt. Das Kalkül ist wohl, den geplanten Grundstückkauf in Bleiburg/Pliberk und die anstehenden Verhandlungen mit Behörden und Politik in Bezug auf die Ustaša-Feier 2021 mit einem unauffälligen Obmann besser über die Bühne zu bekommen – im März 2021 steht dann eh die Neuwahl an.

    Fazit

    Noch ist schwer abzusehen was die vor kurzem beschlossenen parlamentarischen Initiativen wirklich bewegen können. Ein Vier-Parteien-Antrag gegen das Ustaša-Treffen ist zwar durchaus ein beachtlicher Vorgang, aber die konkreten Schritte, die auf Basis des Beschlusses gesetzt werden sollen, sind derzeit noch nicht absehbar. Der erstaunlichste Punkt ist vorerst, dass die ÖVP – immerhin mit der HDZ in der EVP verbunden – ihre bedingunglose und uneingeschränkte Pro-Bleiburg-Haltung aufgegeben hat. Wir sind umso mehr gespannt, ob Gordan Jandroković im kommenden Jahr der Einladung Wolfgang Sobotkas zum jährlichen Staatsopern-Besuch nachkommt.[18]

    Quellen

    [1] Antrag (604/A(E)) Untersagung der ultranationalistisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk

    [2] Antrag (618/A(E)) Untersagung der Feier im Gedenken an das "Massaker von Bleiburg"

    [3] Parlamentskorrespondenz Nr. 568 vom 03.06.2020: Ustascha-Treffen in Bleiburg: Innenausschuss vertagt Beratungen über Vier-Parteien-Initiative

    [4] OTS SPÖ-Klub vom 4.6.2020

    [5] https://twitter.com/SabineSchatz/status/1268444012295467008 + https://twitter.com/michelreimon/status/1268434605289492485

    [6] https://twitter.com/Bini_Guttmann/status/1268438547759091712

    [7] Antrag (731/A(E)) Untersagung der Feier im Gedenken an das "Massaker von Bleiburg"

    [8] OTS des FPÖ-Klubs

    [9] Anfrage 2147/J XXVII. GP vom 27.05.2020 betreffend “Organisation einer ultranationalistisch-faschistischen Gedenk-veranstaltung in Bleiburg/Pliberk durch den Verein „Bleiburger Ehrenzug"

    [10] Entschließungsantrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten (34/AEA) betreffend Evaluierung der Symbole-Bezeichnungs-Verordnung hinsichtlich Symbolen der Ustascha-Gruppierung

    [11] Entschließung des Nationalrates (81/E) vom 9. Juli 2020 betreffend Untersagung der Feier im Gedenken an das "Massaker von Bleiburg"

    [12] "Petition gegen das Verbot von Aktivitäten auf dem Bleiburger Feld!" unter ipetition.com

    [13] Parlamentskorrespondenz: Ustascha-Treffen in Bleiburg: Innenausschuss vertagt Beratungen über Vier-Parteien-Initiativ

    [14] DÖW: Freibrief durch BH Völkermarkt?

    [15] Interview aus 2013 + Diözese Klagenfurt-Gurk, Rektorat Klagenfurt-Marienkirche

    [16] ORF.at: Wirbel: Verurteilter Mörder im Landtag?

    [17] Organisator der umstrittenen Feier nimmt Stellung, krone.at, 25.04.2018

    [18] Parlamentskorrespondenz Nr. 1 vom 01.01.2020: Nationalratspräsident Sobotka traf kroatischen Amtskollegen Jandroković