Bleiburg 2019: Alles anders? Alles gleich?

    In den letzten Tagen kam es zu einigen Veränderungen in den Rahmenbedingungen des Ustaša-Treffens in Bleiburg/Pliberk (siehe dazu auch den Artikel "Der Unwille der Behörden in Bleiburg"). Diese haben durchaus zu Verwirrungen geführt. Wir möchten die Vorgänge nicht unkommentiert lassen und Einordnungen vornehmen bzw. Widersprüche aufzeigen.
    Die Polizei ist sich nicht immer ganz im Klaren über ihre Rolle während des Ustaša-Treffens: Die (Selbst-)Einschätzung reichen von "Wir regeln hier vor allem den Verkehr" bis zu "Wir kontrollieren jeden Teilnehmer ganz genau". Im Bild: Ein Ustaša marschiert ("Prozession") mit Fahne auf der gesperrten Bundesstraße Richtung Veranstaltung ("Messe"), eine Polizistin berät bei der Parkplatzsuche (Quelle: AK Bleiburg/Pliberk 2017).
    Am 8.3.2019 hat der Diözesanadministrator der Katholischen Kirche in Kärnten/Koroška, Engelbert Guggenberger, mit einer Presseaussendung für einige Überraschung gesorgt: Dem diesjährigen Antrag der Kroatischen Bischofskonferenz bei Bleiburg/Pliberk eine katholische Feier abzuhalten wird heuer nicht zugestimmt. Als Begründung wird angegeben, dass sich die katholische Kirche Kärnten/Koroška nicht länger politisch und für eine einseitige Interpretation historischer Ereignisse instrumentalisieren lassen möchte [1].
    Hintergrund der Entscheidung der Kärntner katholischen Kirche ist, dass die kroatische Bischofskonferenz die Diözese Gurk/Krška škofija um Erlaubnis bitten muss, in deren Zuständigkeitsbereich eine kirchliche Veranstaltung abhalten zu dürfen. Anders als die letzten Jahre lag die Entscheidung dieses Mal nicht bei Bischof Alois Schwarz, der im Sommer 2018 in die Diözese St.Pölten wechselte und dessen Amtsführung seither kritisch durchleuchtet wird. Durch dessen Versetzung herrscht in Kärnten/Koroška Sedisvakanz, Guggenberger leitet die Diözese bis zu einer Neubestellung.
    Behördlicher Einsatzleiter, Verfassungsschutz, VertreterInnen der Polizeidirektion und Kirchenvertreter stecken während des Ustaša-Treffens 2016 die Köpfe zusammen... (Quelle: AK Bleiburg/Pliberk 2016).

    Unterschiedliche Bewertung

    Unklar ist derzeit, was für Konsequenzen diese Nicht-Erteilung der Erlaubnis nun tatsächlich hat. Nimmt man die bisherigen Aussagen des zuständigen Bezirkshauptmanns, Gerd-Andre Klösch, zur Klassifikation des Treffens her, so muss man zum Schluss kommen, dass die Feier keineswegs mehr so stattfinden kann.
    Bisher lautete das Credo des offiziellen Kärntens, dass es sich weder um eine Versammlung (nach dem österr. Versammlungsrecht) noch um eine Veranstaltung (nach dem Kärntner Veranstaltungsgesetz) handelt, sondern um eine religiöse Feier. So eine religiöse Feier besitzt eine besondere rechtliche Stellung, vor allem in Hinblick auf die Freiheit der Religionsausübung, hat einen Vorrang vor anderen Veranstaltungen/Versammlungen und unterliegt besonders wenigen gesetzlichen Auflagen (in Bezug auf die Straßenverkehrsordnung, usw.). Es ist damit kein Wunder, dass sich die Veranstalter der Ustaša-Feier bisher darauf bemüht haben, diesen besonderen rechtlichen Status beizubehalten.
    Dem gegenüber sprechen erste Einschätzungen davon, dass nur die „Bischofsmesse“ untersagt (bzw. nicht erteilt) wurde. Es könnte daraus der Schluss gezogen werden, dass die Rettung des Status Quo darin zu suchen ist, die Messe von einem „einfachen Priester“ zelebrieren zu lassen oder aber einen Bischof/Priester zu finden, für den das Verbot nicht gilt. Die Frage ist nun, wie die Kärntner Politik und Verwaltung reagiert, insbesondere weil sich bisher schon einige Widersprüche, gerade in Bezug auf den rechtlichen Charakter der Veranstaltung, aufgetan haben. Diese Widersprüche zeigen, dass schon bisher dieser, für die Ustaša-Fans sehr praktische, Zustand nur mit einigen Verdrehungen seitens der Behördenvertreter_innen und Kirchenvertreter herzustellen war.
    So stellte der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk in einem 2018 ausgestellten Gutachten zum Bleiburg-Treffen fest, dass „[d]ie Gedenkmesse als solche nicht der behördlichen Aufsicht unterliegt und kein behördliches Eingreifen erlaubt, solange der Charakter als religiöse Feier gewahrt wird. Das Geschehen rund um die Gedenkmesse unterliegt uneingeschränkt der Überwachung der österreichischen Behörden, die auf die Einhaltung der maßgebenden Rechtsvorschriften zu achten und gegebenenfalls einzuschreiten haben. Der Hinweis auf den angeblich ‚religiösen Charakter‘ des Geschehens außerhalb der Gedenkmesse ist dabei ebenso irrelevant wie der Umstand, dass die Veranstaltung auf privatem Grund stattfindet.“ Funk führt zudem weiter aus, dass „[es] sich um eine Zusammenkunft handelt, die wegen der dort stattfindenden Manifestationen in Form der Kundgabe von Meinungen und politischen Erklärungen als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu qualifizieren ist“ [2].
    Pressekonferenz im Vorfeld des Treffens 2018 - hier wurden jene "Auflagen" für das Treffen angekündigt, die auch in den Augen der Diözese Gurk nicht eingehalten wurden.

    „Wir bestehen darauf, dass es sich hier um eine kirchliche Veranstaltung handelt.“

    Bezirkshauptmann Klösch, der während der Ustaša-Feier auch der polizeilichen Einsatzleiter ist, wird nicht müde den religiösen Charakter der Feier zu betonen. Bei einer Pressekonferenz im Mai 2016 lautete dies seitens des Behördenleiters so: „Es handelt sich hierbei um eine kirchliche Gedenkveranstaltung an die Vorgänge im Jahr 1945, die jedes Jahr vom Bleiburger Ehrenzug – das ist ein registrierter Verein – am Loibacher Feld durchgeführt wird.“
    Und weiter: „Wir bestehen darauf, dass es sich hier um eine kirchliche Veranstaltung handelt. […] Daher hat der Veranstalter, in Rücksprache mit uns, seine Security angewiesen, Personen, die dem zuwiderhandeln [bezogen auf Ustaša-Symbole, Anm. AK], diesem Agreement, äh, diese Personen anzuhalten, sie aufzufordern, diese Zeichen abzulegen oder diese Veranstaltung zu verlassen.“
    „Das ist eben das große Problem, dass wir in Österreich ein Rechtsstaat sind, wo ich auf Privatgelände an und für sich sehr viel unternehmen darf. Solange es sich hier nicht um eine ausschließlich politische Manifestation handelt, und sich das in kirchlichem Rahmen hält, auch im zeitlichen Horizont und Verhältnis, habe ich keine Möglichkeit, das zu untersagen.“
    Damit stellt der zuständige Beamte die gesamte Feier - von der ersten bis zur letzten Minute und egal wo seine TeilnehmerInnen sich gerade aufhalten - unter das Kirchenrecht. Das würde darauf hindeuten, dass das Treffen ohne Zustimmung der zuständigen Diözese heuer keine kirchliche Feier sein kann.
    Kommunion während des Ustaša-Treffens: Rechts im Bild ein Ustaša-Fan mit schwarzer Kappe und Reichsadler auf dem T-Shirt.
    Laut Behörde sind die Festzelte Teil der religiösen Feier und unterliegen damit keiner Kontrolle, laut Kirche geht sie nur die Messe etwas an. Hier ein Hitlergruß in den besagten Bierzelten, 2017 (Quelle: AK Bleiburg/Pliberk 2017).

    Einschätzung der Kirche

    Schon bisher scheint es so, dass die Katholische Kirche Kärntens nicht wirklich dieser behördlichen Einschätzung folgt. So verlautbarte sie bereits im April 2018: „Die Katholische Kirche Kärnten hält fest, dass die Katholische Kirche Kroatiens gemeinsam mit dem „Bleiburger Ehrenzug“ Veranstalterin dieser Totengedenkfeier ist. Die Feier der hl. Messe auf privatem Grundstück, die im Rahmen dieses Totengedenkens gefeiert wird, entspricht der kirchenrechtlichen Ordnung und hat in den vergangenen Jahren auch keinen Anlass für Kritik geboten“ [3]. Und auch während der gemeinsamen Pressekonferenz kurz vor dem Treffen 2018 nahm der Kirchenvertreter eine Trennung vor, wenn er sagte: "Soweit hier kirchliche Handlungen unter dem Titel und der Marke 'Katholisch' gesetzt werden, besteht kirchenrechtlich eine Verantwortung des territorial zuständigen Bischofs von Gurk-Klagenfurt. Im engeren Sinn betrifft das die Feier der heiligen Messe auf dem Veranstaltungsgelände."
    Damit wird suggeriert, dass lediglich die Messe unter Kirchenrecht bzw. den oben erwähnten besonderen Status fällt. Auch in der Presseaussendung zur Nicht-Genemigung wird unterschieden. Demnach sei die Messe „Teil einer Veranstaltung, die politisch instrumentalisiert und Teil eines politisch-nationalen Rituals ist, das einer selektiven Wahrnehmung und Deutung von Geschichte dient“ [4] – keine Rede einer zusammenhängenden, religiösen Feier – vom Parkplatz bis zum Dixi-Klo – die der Bezirkshauptmann behauptet.
    Bundesstraße gesperrt, Radweg zum Parkplatz für die Busse der Ustaša-Fans gesperrt. Aber auf welcher gesetzlichen Grundlage eigentlich? (Quelle: AK Bleiburg/Pliberk 2016).

    Rechtliche Grundlagen?

    Dies wirft allerdings die Frage auf, in welchem rechtlichen Rahmen bisher das Treffen stattfinden konnte, wenn sich die zuständigen Akteur_innen im Grunde nicht einig darüber sind. Dabei wurden in den letzten Jahren für die Veranstaltung Straßen zu Parkplätzen umfunktioniert, ein Grenzübergang geschlossen, massiv Polizei eingesetzt und kritische Gegenveranstaltungen in der Nähe untersagt. Nicht nur für die Klärung der Rechtsgrundlagen, sondern auch für deren Durchsetzung liegt der Ball bei der Politik, die diesen, wie oben erwähnt, nun aufnehmen sollte.
    In der Reaktion des Landeshauptmann Peter Kaiser auf die Untersagung der katholischen Kirche, in der er sagt „Damit wurde der notwendige und aus meiner persönlichen Sicht richtige Schritt gesetzt, um dem alljährlichen Aufmarsch von Anhängern des verbotenen Ustascha-Regimes und anderen rechtsradikalen Gruppen auf Kärntner Boden, auf österreichischem Staatsgrund, zu unterbinden“, ist zusätzlich herauszulesen, dass selbst das Land Kärnten/Koroška nicht weiß, in welcher Rechtsform das Ustaša-Treffen 2019 beantragt wird und dementsprechen stattfinden kann – oder auch nicht. Dazu äußert sich Kaiser: „In jedem Fall werde ich umgehend mit Experten und Behördenvertretern alle Möglichkeiten und die entsprechenden gesetzlichen Handhabungen, die in überwiegendem Ausmaß der Bundesregierung zur Verfügung stehen, sorgfältig prüfen“ [5]. Im Sinne seiner eigenen Regierungserklärung von 2018 kann mit einer Untersagung der Feier 2019 seitens des Landes gerechnet werden.
    Stolze Ustaša wie dieser haben durch die neuen gesetzlichen Regeln nichts zu befürchten: die dargestellten Symbole sind in dieser Form nicht verboten (Quelle: AK Bleiburg/Pliberk 2008).

    Apropos gesetzliche Grundlagen

    Eine zweite Veränderung mit Einfluss auf die Ustaša-Feier in Bleiburg/Pliberk ist das Symbolegesetz. Dieses Gesetz wurde 2014 eingeführt, um Symbole von IS und Al-Qaida zu verbieten und hatte kaum tatsächliche Relevanz. 2018 wurde das Gesetz von der ÖVP-FPÖ-Regierung um weitere Organisationen ergänzt (darunter etwa Muslimbruderschaft, die Ustaša, aber auch die PKK), im März 2019 wurden mittels einer Verordnung die konkreten Symbole festgelegt.
    In der Verordnung sind zwei Symbole konkret benannt: Die Ustaša-Granate in einem blauen U sowie das Ustaša-Wappen mit dem darüber angebrachten Ustaša-U [6]. Obwohl das Gesetz – wie aus der Begründung dessen hervorgeht – in Hinblick auf die Ustaša-Feier in Bleiburg/Pliberk erweitert wurde, ist auffallend, dass nun Symbole verboten sind, die dort kaum zur Anwendung kommen. Weitere Symbole, die einen klaren Bezug zum NDH-Staat oder seinen Apologet_innen wie der HOS herstellen, sind weiterhin nicht verboten. Siehe dazu auch den Artikel "Symbole auf der Ustaša-Feier in Bleiburg/Pliberk" sowie die Bilder in der Galerie.
    Kommentar von Velimir Buljanec zum Verbot der Messe am Loibacher Feld/Libuško polje

    Ustaša-Feier, quo vadis?

    Das Symboleverbot ist damit im Grunde reine Symbolpolitik: Es wird etwas scheinbar geregelt, tatsächlich aber nichts verändert. Neo-faschistische Agitatoren wie Velimir Bujanec wissen das, wenn sie – wie auf Facebook nachzulesen ist – bereits aufrufen im heurigen Jahr mit besonders vielen Fahnen gegen das neue Gesetz und die Nicht-Genehmigung durch die Diözese zu protestieren: „TROTZEND UND STOLZ: In Bleiburg werden wir dieses Jahr mehr sein als je zuvor! Bereitet die heiligen Fahnen vor! […] Bereitet die heiligen Flaggen vor, wir lassen nicht mehr zu, dass man sie uns entreißt! Wenn das Gebet nicht von Bischöfen geleitet wird, werden es unsere Brüder übersetzen. Sie werden zu hunderten da sein, wenn nötig!“ (eigene Übersetzung).
    Am Schluss bleibt stehen, dass sich viel zu bewegen scheint, allerdings die tatsächliche Richtung wohl erst im Mai ersichtlich sein wird. Die Bandbreite reicht von Verbot bis zu einer Radikalisierung der TeilnehmerInnen. Es besteht allerdings auch die reale Chance, dass einem der größten faschistischen und geschichtsrevisionistischen Treffens Europas Einhalt geboten werden kann. Bereits 2018 musste das Treffen einige Auflagen erfüllen und hat seinen Charakter etwas verändert. 2019 ist es längst an der Zeit das Gedenken an ein mörderischen Nazi-Kollaborations-Regime zu unterbinden. Es bleibt spannend, wie die kärntner Behörden nun agiert. Wir bleiben auf jeden Fall dran, die Vorgänge rund um das Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk zu dokumentieren und die Hintergründe aufzuzeigen.

    [1] https://kaernten.orf.at/news/stories/2968784/

    [2] https://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/Gutachten-Bleiburg-Professor-Funke-Mai-2018.pdf

    [3] https://www.kath-kirche-kaernten.at/dioezese/detail/C2488/gedenkfeier_am_loibacher_feld

    [4] https://www.katholisch.at/aktuelles/124940/dioezese-gurk-erteilt-keine-erlaubnis-fuer-gedenkmesse-am-loibacher-feld

    [5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190308_OTS0191/ustascha-feier-lh-kaiser-begruesst-verweigerung-der-genehmigung-durch-kirche

    [6] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009091