Das katholische Kroatien und die Ustaša

    Ustaša-Gedenkfeier in Bleiburg/Pliberk 2008: Gottesmutter neben Fahne des faschistischen NDH-Staats

    „Die kroatisch-katholische Kirche versteht sich als Nationalkirche, als Hüterin nationaler Interessen, historischer Wahrheiten und angeblich traditioneller Werte.“[1]  

    Wird auf die Geschichte und die Verbindungen der kroatisch-katholischen Kirche mit kroatischen Nationalbewegungen und in deren Zuspitzung die faschistische Ustaša-Diktatur geschaut, wundert es nicht, dass dies 2018 noch immer zu gelten scheint. Es wundert allerdings, dass dies in einer derart unbearbeiteten Form vonstatten geht, dass eines der größten faschistischen Treffens Europas in Bleiburg/Pliberk unter dem Deckmantel und mit Unterstützung der katholischen Kirche stattfinden kann. Nationalismus und die römisch-katholische Kirche sind, gerade wenn es um Kroatien geht, historisch eng miteinander verknüpft. Daher lohnt es sich dort näher hinzuschauen, auch um den Charakter der jährlichen Gedenkfeier in Bleiburg/Pliberk besser verstehen zu können.

    Die Geschehnisse, auf denen der Mythos Bleiburg basiert, können nie ohne den vorhergehenden zweiten Weltkrieg besprochen werden, sind sie doch ein Produkt aus faschistischer Diktatur, Morden, Kämpfen, Verlieren, Flüchten und Rache. In diesem Text beschäftigen wir uns vorrangig mit der Zeit des Nationalsozialismus und damit verbunden mit dem NDH. Während dieser gab es einige mit (dem NS-)Deutschland kollaborierende Staaten. Manche davon fanden ihre diktatorische Macht mit Hilfe bereits bestehender Strukturen der vor Ort herrschenden Religion – bspw. mit Hilfe des katholischen Glaubens in der Slowakei oder des orthodoxen Glaubens in Rumänien. Auch der kroatische NDH-Staat, der des „Nezavisna Država Hrvatska“, des „Unabhängigen Staates Kroatiens“, bestand aufgrund und mit der Hilfe und Unterstützung der mächtigen katholischen Kirche. Daher scheint es bereits hier, dass das faschistische Gedenken in Bleiburg/Pliberk eigentlich nicht ohne der Kirche auskommen kann.

    Beginn der jährlichen Gedenkfeier am Friedhof von Unterloibach (2017)

    Aufstellung mit Kreuzen und Fahnen fürs Erinnerungsfotos vor dem Gedenkstein in Bleiburg/Pliberk (2017)

    Vorgeschichte

    Nach dem ersten Weltkrieg gründete sich prozesshaft das „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, welches 1929 nach einem vom Militär und König unterstützten Putsches zum Königreich Jugoslawien wurde. Eine große Frage dieses Staates war von Anfang an die Religion, gerade auch weil sie als Indiz zur nationalen Zugehörigkeit galt (und teils immer noch gilt), also nationale Zugehörigkeit sich sehr stark über die Frage der Religionszugehörigkeit konstruiert. 5,5 Millionen Einwohner_innen, ca. 46%, waren (ab 1920 serbisch-)orthodoxen Glaubens, 4,7 Millionen, ca. 39%, römisch-katholischen und 1,3 Millionen, ca. 11%, muslimischen Glaubens[2]. Zudem gab es kleinere protestantische und jüdische Gemeinden. Vor allem zwischen den beiden größten religiösen Strömungen gab es Machtkonflikte, welche national aufgeladen waren. Serbien war gemeinsam mit Mazedonien und Montenegro überwiegend orthodox, Slowenien und Kroatien katholisch. Die jeweilige Kirche spielte eine große Rolle in der jeweiligen nationalen Identifizierung und der Frage, wie die Macht im relativ jungen Staat wo verteilt war. Zusätzlich stellte gerade das katholische Kroatien für den Sitz der römisch-katholischen Kirche, den Vatikan, einen strategisch wichtigen Ort gegen die Orthodoxie sowie den Islam am Balkan dar. Das abschließen eines Konkordats, eines Staatskirchenvertrages, zwischen katholischer Kircher und jugoslawischem Staat spitzte den Streit Ende der 30er zu. Sowohl serbisch-nationale wie kroatisch-nationale Bewegungen fühlten sich in ihren Interessen nie genügend vertreten.

    Nach der Proklamation der „Königsdiktatur“ 1929 gründeten sich die Ustaša – Ustaša von „der Aufständische“. 1932 erklärten diese, dass ihr Ziel der „bewaffnete Aufstand zur Befreiung Kroatiens“ sei und jedes Mitglied musste beim „allmächtigen Gott […] Gehorsam schwören“ – später ritualisierten die Ustaša-Kapläne selbiges „vor zwei Kerzen, dem Kruzifix, einem Dolch und einem Revolver“[3]. Der nationale Gedanke war mit dem religiösen ident und stellte kein gegenseitiges Ausschlusskriterium dar.

    So verwundert es auch nicht, dass die Proklamation des NDH, nachdem die Deutschen am 10. April 1941 im Zuge des Balkanfeldzuges in Zagreb einmarschierten, mit „Gottes Vorsehung und de[m] Wille[n] unseres große[n] Verbündeten“ begann und mit „Gott mit den Kroaten! Für das Vaterland bereit!“ endete[4]. Ante Pavelič wurde der Poglavnik, der Führer und Diktator, dieses Staates. In dieser Rolle traf er bereits am 18. Mai 1941 in einer Privataudienz im Vatikan Papst Pius XII[5]. Nicht nur die kroatische-katholische Kirche war also in diesen Teil der Geschichte verwickelt, sondern auch der „Heilige Stuhl“. In diesem Text soll der Fokus aber auf der kroatischen katholischen Kirche liegen.

    Marsch zum Gedenkstein (Bleiburg/Pliberk 2017)

    Die (römisch-katholische) Kirche im (NDH-)Staat

    Im NDH gab es anfänglich ca. 5 Millionen Katholik_innen, 1,9 Millionen serbisch-Orthodoxe und 250.000 Muslim_innen.[6] Die katholische Kirche bekam im NDH-Staat besondere Rechte. Zeitgleich wurden der orthodoxen jegliche Rechte entzogen. Für Serb_innen bedeutete dies, dass sie entweder konvertieren mussten, ermordet oder deportiert wurden. Am 3. Mai 1941 gab es bereits eine „gesetzliche Verordnung zum Religionswechsel“, in welcher auch festgelegt wurde, wer überhaupt konvertieren konnte. Orthodoxe Priester, Wohlhabende und Intellektuelle sollten demnach nur in Ausnahmefällen konvertieren können.[7]

    Das Vermögen wie den Besitz der serbisch-orthodoxen Kirche und wohlhabender Orthodoxer wurde vielfach der römisch-katholischen Kirche übertragen. Auch alle Jüdinnen und Juden wurden enteignet – auch hier einer der ersten Schritte zu Vernichtung. Zudem mussten sie einen Davidstern tragen, Serb_innen eine blaue Armbinde mit einem „P“ für „Pravoslavac“ (Orthodoxe_r). Orthodoxen wie Jüdinnen und Juden wurde der Zugang zu vielen öffentlichen Orten, wie Gehsteigen, Büros, Geschäfte, Restaurants, öffentlichen Verkehrsmitteln sowie das Leben in vielen Stadtteilen Zagrebs verboten[8]. Sie wurden entlassen und verhaftet, die kyrillische Schrift verboten[9]. Orthodoxe Kirchen wurden katholisch oder umfunktioniert zu Warenhäusern, Schlachthäusern, öffentlichen Toiletten, Ställen, Gefängnissen, Hinrichtungsstätten oder gleich ganz zerstört.

    Gleich in den ersten Tagen wurde der serbisch-orthodoxe Patriarch Dr. Gavrilo Dožic gefangengenommen. Orthodoxe Bischöfe wie hunderte Priester und Mönche wurden ermordet. In den ersten sechs Wochen berief sich die Zahl der Ermordeten angeblich auf „bereits drei orthodoxe Bischöfe, mehr als hundert orthodoxe Priester und Ordensleute, sowie 180.000 Serben und Juden“[10]. Waren serbische Kinder noch sehr klein und elternlos – aufgrund von Ermordung oder Deportation – wurden sie zum Teil von der „Caritas“ aufgenommen um sie umzuerziehen[11].

    Dafür bekamen im NDH-Staat sowohl die katholischen Priester wie die „Fonds zur Erhaltung kirchlicher Gebäude“ zeitgleich mehr Geld[12]. Die ersten Funktionäre der Ustaša waren oft Priester, welche „als oberste Feldlagerführer, Lagerführer und als Bezirks- und Staatsgauleiter eingesetzt waren“[13], unter anderem, da sie sich schon zuvor in ihrer Haltung gegen Jugoslawien bemerkbar gemacht und profiliert haben.

    Gerade der Franziskanerorden und seine Mönche fanden sich in wichtigen Funktionen im System der Ustaša wider. Ihre Klöster dienten als Waffenlager oder Organisations- und Ausbildungszentren für die Ustaša. Angehörige des Ordens fungierten als politische Berater, Zivilgouverneure, Henker in Konzentrationslagern. Nach dem Krieg nahmen Franziskanerklöster in Österreich, Italien und Frankreich die flüchtenden Kriegsverbrecher bei sich auf[i].

    Devotionalienverkauf in Bleiburg/Pliberk: Ustaša-Wappen, Kreuze, Jesus mit Dornenkrone...

    Zwischen Kutte und Uniform

    Die Namenslisten jener faschistischen Täter, die auch Geistliche waren, scheint lang und doch recht unerforscht. Exemplarisch werden hier drei kurz vorgestellt, damit deutlicher wird, wie sehr Ustaša und die katholische Kirche Hand in Hand gingen.

    Ivan Šaric war ab 1922 Erzbischof von Vrhbosna (Sarajevo), galt als Unterstützer der Ustaša und der Zwangskonvertierungen serbische-Orthodoxer. Er erhielt von der NDH-Regierung den Höchstorden mit Stern und flüchtete nach dem Krieg über Österreich in das faschistische Spanien – mit Unterstützung der katholischen Kirche, stellte sich so nie einem Gericht und starb dort 1960.

    Krunoslav Draganović war Priester, Mitglied des Komitees für Bekehrung und Kaplan im KZ Jasenovac. Er erlangte den Verdienstorden 1. Klasse. 1943 wurde er als Vertreter der kroatischen Kirche nach Rom geschickt. Dort baute er ein Netzwerk auf, welches nach dem Krieg als „Rattenlinie“ bekannt wurde und sowohl Nationalsozialist_innen wie Ustaša die Flucht aus Europa ermöglichte.

    Miroslav Filipović-Majstorović war Franziskaner und Kaplan vom Kloster Petričevac bei Banja Luka. Er legte den Ustaša-Eid ab, war Militärgeistlicher und erlangte Bekanntheit durch ein Massaker in der Umgebung von Banja Luka, bei dem ca. 2.300 Serb_innen ermordet wurden. Diese Bekanntheit erlangte er einerseits, weil er die Leitung überhatte und andererseits, weil er besonders brutal tötete. Wenig später wurde er erst Kommandant im KZ Jasenovac und dann im KZ Stara- Gradiška. Nach dem Kriegsende wurde Filipović wegen Kriegsverbrechen angeklagt und zum Tode durch Hängen verurteilt.

    Die mörderische Politik der Ustaša beruhte stark auf der Frage der Religion. Ein erheblicher Anteil der faschistischen Täter_innen waren Angehörige der katholischen Kirche. Aufgrund der engen Verbindung zwischen Kirche und Faschismus innerhalb des NDH-Staates verwundert es nicht, dass das faschistische Gedenken in Bleiburg/Pliberk eine kirchliche Messe miteinschließt und die Gedenkstätte eine Kapelle. So eng wie diese beiden Institutionen verbandelt waren, so eng arbeiten sie scheinbar auch im Gedenken zusammen. Will sich die römisch-katholische Kirche weiter in der Tradition einer Diktatur, die Hundertausenden das Leben genommen hat, bewegen, reiht sie sich jeden Mai richtig ein. Falls sie sich aber je der Vergangenheit stellen will, dann muss sie sich wohl vom Mythos um Bleiburg/Pliberk und der Erinnerung an Mörder, gerade da sie vielfach aus den eigenen Reihen kamen, trennen.

    Quellen

    [1] vgl. Hory, Ladislaus und Broszat, Martin (1965) „Der kroatische Ustascha-Staat 1941–1945“, Deutsche Verlags-Anstalt, S. 53. sowie Deschner, Karlheinz (1982) „Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege. Von Pius XII. 1939 bis zu Johannes Paul I. 1978“, Kiepenheuer & Witsch, S.218.

    [2] vgl. Rhodes, Anthony (1980) „Der Papst und die Diktatoren. Der Vatikan zwischen Revolution und Faschismus“, Hermann Böhlaus Nachf., S.282.

    [3] vgl. Dedijer, Vladimir (2011) „Jasenovac das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, 6. erweiterte Auflage, Ahriman-Verlag, S.103.

    [4] vgl. Dedijer, Vladimir (2011) „Jasenovac das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, 6. erweiterte Auflage, Ahriman-Verlag, S.260-261.

    [5] vgl. Deschner, Karlheinz (2012) „Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelić“, Ahriman-Verlag, S.175

    [6] vgl. Dedijer, Vladimir (2011) „Jasenovac das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, 6. erweiterte Auflage, Ahriman-Verlag, S.259.

    [7] Deschner, Karlheinz (2012) „Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelić“, Ahriman-Verlag, S.177

    [8] vgl. Deschner, Karlheinz (2012) „Mit Gott und den Faschisten. Der Vatikan im Bunde mit Mussolini, Franco, Hitler und Pavelić“, Ahriman-Verlag, S.180

    [9] vgl. Rhodes, Anthony (1980) „Der Papst und die Diktatoren. Der Vatikan zwischen Revolution und Faschismus“, Hermann Böhlaus Nachf., S.281.

    [10] Dedijer, Vladimir (2011) „Jasenovac das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, 6. erweiterte Auflage, Ahriman-Verlag, S.50.

    [11] vgl. Deschner, Karlheinz (1982) „Ein Jahrhundert Heilsgeschichte. Die Politik der Päpste im Zeitalter der Weltkriege. Von Pius XII. 1939 bis zu Johannes Paul I. 1978“, Kiepenheuer & Witsch, S.238. sowie Dedijer, Vladimir (2011) „Jasenovac das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan“, 6. erweiterte Auflage, Ahriman-Verlag, S.20.

    [12] vgl. Rhodes, Anthony (1980) „Der Papst und die Diktatoren. Der Vatikan zwischen Revolution und Faschismus“, Hermann Böhlaus Nachf., S.281. sowie Shelah, Menachem (1989) „Christian Confrontations with the Holocaust. The Catholic Church in Croatia, the Vatican and the murder of the Croatian Jews”, in Holocaust and Genocide Studies, Vol.4, No.3, Pergamon press, S.326.

    [13] vgl. https://derstandard.at/2000041722907/Empoerung-ueber-Aufhebung-des-Urteils-gegen-Kardinal-Stepinac zuletzt aufgerufen: 16.03.2018, 16:33