Zwischen Mutterkult und militanter Gefolgschaft – Frauen in der Ustaša Bewegung und im NDH

    Wenn alljährlich rund um den Muttertag beim Bleiburg Treffen von den unschuldigen Frauen die Rede ist, die auf der Flucht als Zivilistinnen ermordet worden seien, wird ausgeblendet, dass Frauen auch Täterinnen sein können. Sie werden zu reinen Opfern zwischen Kindern und Greis*innen, was ihrer Rolle als überzeugte Ustaškinja und Anhängerinnen eines faschistischen Regimes nicht im Geringsten gerecht wird.

    Im faschistischen NDH Staat (Nezavisna Država Hrvatska – Unabhängiger Staat Kroatien) sollte laut Ustaša Führung eine Volksgemeinschaft von katholischen, „erbgesunden“ und „arischen“ Kroat*innen entstehen. Für dieses Großprojekt mussten Frauen in Beschlag genommen werden. Als Mütter, aber auch Erzieherinnen und Lehrerinnen, sollten sie die rassistische und antisemitische Bevölkerungspolitik durchsetzen. Dem patriarchalen Denkmuster gemäß, lag es bei den Frauen sich als Dienerin des Mannes in der Familie zu begreifen und ihm viele Kinder zu gebären. Diese klassische Frauenrolle wurde durch die historische Entwicklung in den 1930er Jahren aber konterkariert. Bis zur Machtübernahme von Ante Pavelić im April 1941 wurde den Ustaša Anhängerinnen – entgegen ihrer traditionellen Rolle als Mutter und Hausfrau – die Aufgabe zuteil, als Kampfgefährtin ihres Mannes, die jugoslawische Königsdiktatur im Untergrund zu bekämpfen.

    Widerstand in der „Kampfzeit“

    Während viele Männer als Mitglieder der verbotenen Ustaša ab den 1920ern ins italienische oder ungarische Exil gingen, blieben die meisten Frauen in Jugoslawien, wo ihnen eine wichtige Funktion in der Vernetzung zukam. Obwohl die Präsenz von Frauen im italienischen Exil marginal war, kommen häufig Frauenname in den Briefen des exilierten Männerbundes vor, dessen Mitglieder sich teilweise als „liebe Freundin“ ansprachen. Ob die weiblichen Decknamen gewählt wurden, weil Frauen für die italienischen Geheimdienste als unverdächtiger galten oder ob eine Homoerotik unter „heldischen Männern“ eine Rolle spielte, sei dahingestellt. Die „Erstkämpferinnen“ verfolgten in den Medien das aktuelle politische Geschehen und konnten so ihren Familienangehörigen und Gleichgesinnten in prekären Situationen beratend zur Seite stehen. Sie agierten als Informantinnen, Vermittlerinnen, Kurierinnen und Spioninnen. Sie verbreiteten Ustaša-Propaganda, schmuggelten Waffen und Sprengstoff und reisten in ihrer Tätigkeit als Agentinnen von Ort zu Ort um Botschaften an ihre ideologischen Freund*innen zu überbringen. Obwohl Frauen eine Minderheit blieben, hing das illegale Wirken der Ustaša-Bewegung stark von ihrer Mithilfe ab. Viele von diesen „Erstkämpferinnen“ stammten aus nationalistischen Familien, und waren als Schwestern, Töchter oder Ehefrauen von Ustaša-Anhängern ebenfalls zu Mitgliedern der Bewegung geworden. Nationalistisch eingestellte Frauen, die vor 1941 mit der Ustaša sympathisierten und im NDH Staat wichtige Funktionen übernahmen, stammten zum Großteil aus der Bildungsschicht. Zu den einflussreichsten weiblichen Intellektuellen gehörte Dr. Zdenka Smreka, eine Tausendsassa des nationalistischen Bildungsbürgertums. In den 1930er Jahren erschienen in der von ihr herausgegebene Zeitschrift „Naša žena“ (Unsere Frau) enthusiastische Berichte über Nazi-Deutschland. Smreka selbst warf der jüdischen Bevölkerung in Artikeln vor, keine nationalen Interessen zu haben beziehungsweise Kroatien an Serbien oder Jugoslawien zu verraten.
    In Jasenovac arbeiten etwa 30 Frauen als KZ-Aufseherinnen

    Die Ustaškinja im NDH

    Wie wichtig familiäre Beziehungen für Ustaša Frauen im NDH waren, zeigt sich exemplarisch an den Frauen der Familie Pavelić. Sowohl die Mutter als auch die Ehefrau von Ante Pavelić, die beide mit Vornamen Marija hießen, wurden im NDH zu weiblichen Ikonen aufgebaut. Seine Frau, Marija Pavelić, geborene Lovrenčević, war bereits vor ihrer Ehe politisch aktiv. Sie war die engste politische Vertraute von Ante Pavelić und begleitete ihn von Anfang bis Ende seiner politischen Laufbahn. Nach ihrem Tod 1984 wurde sie in der nationalistischen Exilpresse gerade für ihre illegale Arbeit in der „Kampfzeit“ der Ustaša gefeiert. Marija Pavelić galt nach den Rassegesetzen, die mit der so genannten „Gesetzesverordnung zum Schutz des arischen Blutes und des kroatischen Volkes“ unmittelbar nach der Machtübernahme am 30. April 1941 erlassen wurden, als Halbjüdin. Das hinderte sie nicht daran die Deportation der kroatischen Jüdinnen und Juden zu fordern und zu unterstützen. Nazi-Deutschland duldete die Ehe des Poglavniks (Führer) mit ihr aus politisch taktischen Gründen.

    Im Unterschied zu den meisten anderen Frauen ging Marija Pavelić mit den drei Kindern 1929 ins italienische Exil. Dort begann die politische Sozialisation der ältesten Tochter Višnja, die neben Ante Pavelićs Frau als Schutzpatronin des Volkes auftrat. Višnja Pavelić berief sich nach Kriegsende darauf, dass sie keine Mitschuld an den Menschenrechtsverbrechen im NDH trüge, da sie kein politisches Amt bekleidet hätte. Nach dem Tod Ante Pavelićs 1959 gründete sie den Verlag „Domovina“ (Heimat) und gab die Bücher ihres Vaters heraus. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2015, agitierte sie als treue Tochter für das Ustaša Regime.

    Eine weitere zentrale Frau im Umfeld der Familie Pavelić ist eine sowohl literarische als auch reale Figur. Als Ante Pavelić 1935 im Turiner Gefängnis auf seinen Prozess wartete, hatte er nach eigener Auskunft nichts Besseres zu tun als einen politischen Roman mit dem Titel „Lipa Plavka“ (Die schöne Blonde) zu schreiben. In diesem geht es um das tödliche Attentat auf König Aleksandar I. Karađorđević in Marseille im Jahr 1934. Die Ustaša hatten mehrere Mordkommandos auf ihn angesetzt, in einem befand sich eine Terroristin, die von Pavelić als geheimnisvolle kroatische Heldin mystifiziert wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit bezog er sich hierbei auf Stana Godina, die laut Aussagen einiger Ustaša-Anhänger*innen das Attentat unter dem Tarnnamen „plavka“ (die Blonde) mitorganisiert hätte. Pavelić zeigte in seinem Roman die relevante Stellung von Frauen in der terroristischen Bewegung auf. Für einen faschistischen Politiker ist die positive Bewertung von politischen und militanten Aktionen von Frauen ausgesprochen untypisch. Diese Perspektive stand im deutlichen Widerspruch zu dem patriarchal-konservativem Frauenbild im nationalsozialistischen Deutschland, das bewaffnete Frauen zumeist nur als „Bolschewistische Flintenweiber“ kannte.

    Nada Šakić und Maja Buždon (von links nach rechts), beide Frauen waren Teil der Wachmannschaften.

    Frauenorganisationen und Vernichtungsstätten im NDH

    Die Organisation der Volksgemeinschaft in den Frauenorganisationen des NDH war hingegen ähnlich wie in Nazi-Deutschland aufgebaut. Im NDH gab es zwei weibliche Organisationen, die fester Bestandteil des Ustaša-Regimes waren, die weibliche Ustaša-Jugend mit ihren Unterorganisationen und der weibliche Zweig der Ustaša-Bewegung. Die Mitgliedschaft in der ersteren Organisation war für Schülerinnen und Studentinnen obligatorisch. Ob sich die Mädchen tatsächlich mit der aufgedrängten Mutterrolle identifizieren konnten und wollten, wurde nicht gefragt, vielmehr waren sie gezwungen Lieder folgenden Inhalts zu singen:

    „Bog ubio svaku majku našu, | „Gott töte jede unsere Mutter,

    koja Anti ne rodi Ustašu.“       | die Ante keinen Ustaša gebärt.“

    Eine kinderlose Frau war demnach nicht einmal des Lebens würdig. Nicht die Bewegung, sondern Gott selbst, würde ihr Leben auslöschen, wenn sie sich den Forderungen der Ustaša entgegenstelle.

    Frauen übernahmen auch wichtige Funktionen in den KZ und Vernichtungsstätten des NDH. Diese waren mit dem Ustaša-Aufsichtsdienst (Ustaška nadzorna služba, UNS) ebenfalls vergleichbar zum Reichsicherheitshauptamt in Nazi-Deutschland organisiert. Die Anwerbung von Frauen (und Männern) für den Dienst in den Konzentrationslagern lief über Mundpropaganda und familiäre Beziehungen, angeworben wurden vor allem Frauen aus ärmeren sozialen Klassen. Zwar sind die Verbrechen der ehemaligen Aufseherinnen weniger gut dokumentiert als die der Männer, aber auch sie beteiligten sich aktiv an Mordaktionen. Mara Vejnović-Smiljanić, eine Gefangene des Frauenkonzentrationslagers Stara Gradiška dem fünften Außenlager der Vernichtungsstätte Jasenovac (die Häftlingsfrauen waren vor allem Serbinnen, Jüdinnen und Romnija sowie deren Kinder), beschrieb die Aufseherinnen folgendermaßen:

    „Bösartig waren auch die Frauen – die Ustašice. Ich erinnere mich nur an ihre Namen – Maja (Maja Buždon), Milka (Milka Pribanić) und Božica (Božica Obradović). Gewöhnlich sind sie in der Ustaša-Uniform und bewaffnet zu jeder Zeit in das Lager rein gestürmt, sei es tags oder nachts. Man wusste nie, was passieren würde. Sie schlugen und ohrfeigten die Häftlingsfrauen. Sie attackierten sie mit Schimpfwörtern und töteten die Frauen oft aus reinem Hass. (…)“

    Neben Marija und Višnja Pavelić ging vor allem die KZ Aufseherin Nada Šakic in das kollektive Gedächtnis der Republik Kroatien seit 1991 ein. Alle anderen Frauen, die die Ustaša-Bewegung seit ihrer Gründung unterstützt hatten und die ab 1941 wichtige Funktionen im Ustaša-Apparat und in der Bewegung übernahmen, sind weder der Wissenschaft noch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Dabei unterstützen sie das Ustaša-Regime genauso fanatisch und mörderisch wie die Männer. Als überzeugte Anhängerinnen des kroatischen Faschismus und treue Ehefrauen flohen sie gemeinsam mit diesen im Mai 1945.

    Quellen

    Aus: Verwicklung. Beteiligung. Unrecht. Frauen und die Ustaša-Bewegung. Martina Bitunjac, Berlin 2018