Vorgeschichte: Gedenkstein und Wappen
Der Ustaša-Verein „Bleiburger Ehrenzug“ (Počasni Bleiburški vod, PBV) kaufte in den 1960ern in Bleiburg/Pliberk erst ein Grundstück und errichtete dann in den 1980ern darauf einen Gedenkstein. Die Errichtung des Gedenksteins war für 1985 geplant, wurde aber von den Behörden durch den positiven Bezug auf die faschistische Armee des Ustaša-Staates abgelehnt. Erst 1987 bekam man die Erlaubnis und ein entschärfter Gedenkstein wurde errichtet: Der Spruch auf Deutsch und Kroatisch war verschieden, sodass den österreichischen Behörden der Bezug auf die faschistische Armee nicht mehr auffiel, und das Wappen war nicht farblich ausgefüllt, also „schwarz-weiß“ (wobei mit weiß beginnend). Alles hier nachzulesen.
In den 2000ern erhielt der Ehrenzug (PBV) aus unbekannter Quelle genug Geld um über ihren in Klagenfurt/Celovec lebenden Strohmann weitere Grundstücke anzukaufen. Es wurde darauf eine Bühne mit einem Altar-artigen Tisch errichtet, weiters ein Soldatenfriedhof angelegt, dessen ausgehobene Gruben aber mangels entsprechender behördlicher Erlaubnis noch immer leer sind. Und es wurde der Gedenkstein aus 1987 mehrfach verändert, sodass er schlussendlich das historische Ustaša-Wappen zeigte. Eröffnet wurde die neue Gedenkstätte 2008. Alle Warnungen, der Ausbau der Anlage könnte dazu führen, dass noch mehr Rechtsextreme und Geschichtsrevionismus im Ort Einzug halten würden, wurden in den Wind geschlagen.
Vorgeschichte: Anzeige und unwillige Behörde
Als 2015 ob der 70. Wiederkehr des Bezugspunkts Mai 1945 rund 30.000 Personen an der Feier teilnahmen und besonders viele faschistische und rechtsextreme Fahnen, T-Shirts, Banner gezeigt wurden, versuchten antifaschistische Verbände und Organisationen mit rechtlichen Mitteln gegen die Feier vorzugehen. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien, der Landesverband Kärnten der österreichischen AntifaschistInnen,
WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus (KZ-Verband Kärnten) und der Verein Memorial Kärnten–Koroška brachten im Sommer 2016 eine Sachverhaltsdarstellung bei der zuständigen Behörde ein. In der Sachverhaltsdarstellung wurde belegt, dass das am Stein angebrachte Emblem unter das Abzeichengesetz fällt und abgenommen werden müsse.
Die zuständige Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec, wollte davon nichts wissen. Sie befragte den örtlichen Verfassungsschutz zur Sache, welcher mit Verweis auf Wikipedia die Anzeige zu widerlegen glaubte. Argumentiert wurde von der Behörde, dass das am Gedenkstein gezeigte Wappen ein historisches Symbol sei und schon lange vor 1938/1945 existierte und daher nicht unter eine antifaschistische Verbotsnorm aus 1960 fallen könnte. Dass nach dieser Logik auch das Hakenkreuz legal wäre, ließ die Behörde nicht von ihrer Haltung abrücken: Das Wappen blieb am Gedenkstein, die Feier konnte unbeirrt stattfinden. Das DÖW protestierte damals dagegen, nachzulesen hier.
Das Wappen und in Österreich verbotene Symbole
Das heutige Wappen der Republik Kroatien ist ein Schachbrett mit roten und weißen Feldern, mit rot beginnend. Als historisches Wappen existiert auch eines mit Schachbrett-Muster, mit weiß beginnend. Dieses wurde etwa während der österreichisch-ungarischen Monarchie verwendet, aber auch vom faschistischen NDH-Staat der Ustaša. Das „Wappen mit weiß“ ist also nicht per se faschistisch. Wer es heute zeigt, bezieht sich aber fast ausschließlich auf die Ustaša und den von ihnen errichteten faschistischen Staat, und selten auf das Königreich Kroatien aus dem 15. Jahrhundert. Es handelt sich auch um keinen Bezug auf die kroatische Nation, denn diese hat seit 1990 eben das mit Rot beginnende Wappen.
Das Emblem wurde von den Ustaša 1941-1945 nicht nur auf Uniformen, Flugzeugen, Schiffen, Propaganda-Plakaten, Zeitschriften, usw. verwendet, sondern auch (Waffen-)SS. Die 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS („Handschar“) trug als Verbandsabzeihen am Kragen den Krumsäbel und am Ärmel das Wappen mit weiß-beginnendem Feld.
Das 1960 erlassene Abzeichengesetz verbietet das Zeigen von Symbolen der NSDAP und all ihrer Gliederungen, wozu die SS zu zählen ist. Da demnach ein Verband der SS dieses Wappen verwendete und die SS zu den verbotenen Organisationen zählt, ist es auch verboten dieses Symbol zu zeigen. Das trifft sicher nicht in allen Fällen zu, jedenfalls aber in jedem Kontext von 2. Weltkrieg, wie eben am Gedenkstein in Bleiburg/Pliberk. Im Detail ist das in der Anzeige von DÖW et al angeführt.
Vier-Parteienbeschluss, Expertenkomission und Wappen-Abnahme
Der Druck nahm zu: Berichte über Hitlergrüße, anti-serbische und faschistische Gesänge in den Festzelten während der Feier, Verkauf von Devotionalien des Ustaša-Führers Ante Pavelić, revisionistische Redeinhalte, usw. Schlussendlich entzog die Kirche ihren Sanktus für die Feier, sodass die Feier als normale Kundgebung durchgeführt werden musste. Am 9. Juli 2020 beschlossen vier von fünf im Parlament vertretene Parteien (dagegen: die FPÖ), dass dem Treffen ein Riegel vorgeschoben werden soll und ersuchte das Innenminsterium (BMI) um Evaluierung.[1] Das BMI setzte eine Arbeitsgruppe von Expert:innen ein, welche am 24. November 2021 einen Bericht vorlegte.[2] Das Gremium und der Bericht legten fest, dass das Treffen in der Form wie bisher nicht mehr durchgeführt werden dürfe; Und, dass das Wappen unter das Abzeichengesetz fällt. Die Anzeige aus 2016 wurde also 2022 erneut eingebracht, die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec berief sich diesmal nicht auf Wikipedia, sondern auf den Bericht des BMI, kam sodann zur Einsicht, dass das Wappen entfernt werden müsste. Am 3. Mai 2022 wurde das Wappen von einem von der Behörde beauftragten Steinmetz abgeschlagen und von der Behörde beschlagnahmt. Verschiedene Personen im Umfeld des Ustaša-Vereins „Bleiburger Ehrenzug“ erhielten eine Strafe: 400 Euro, bei einem Strafrahmen von 4.000 Euro [3] also sicher nicht überschießend. Die Aufregung in Kroatien und in den kroatischen Exilgemeinden war dementsprechend groß - ein Affront, den sich die österreichische Behörden und Politik hier erlauben würden.
Gerichtsverfahren
Die Funktionäre des „Bleiburger Ehrenzug“ (PBV) kündigten auf Facebook und in Fernsehsendungen von Ustaša-Fans seither und über die Jahre immer wieder an, dass man die besten Anwälte und hochrangige Experten beauftragt hätte, dieses Unrecht zu bekämpfen. Es dauerte bis Sommer 2024, bis endlich etwas passierte: am 13. Mai und am 23. Mai 2024 wurde vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten/Koroška über die Sache verhandelt. Juristisch handelte es sich um eine Bescheidbeschwerde, wobei die Geldstrafe und die Abnahme (Verfall) des Wappens bekämpft wurde, Verfahrensparteien waren der Ehrenzug und die BH. Zum Verfahren schickte der Ehrenzug zahlreiche Experten, die Richterin zog darüber hinaus noch weitere, unabhängige Expert:innen bei. Seit Ende August 2024 liegt nun eine Entscheidung vor: Die Beschwerde ist unbegründet. Die Abnahme des Wappens war rechtens.
Aus der Urteilsbegründung ergeben sich einige spannende Details zum konkreten Ablauf der Wappen-Entfernung: Am 9. Februar 2022 forderte die Behörde (BH VK) den Ehrenzug-Obmann auf, das Wappen zu entfernen. Dem kam der Verein nicht nach, entfernte aber die Inschrift auf kroatisch am Gedenkstein – offenbar in der Annahme, dass damit keine Strafe mehr ausgesprochen werden würde. Da im April 2022 das Symbol noch immer am Gedenkstein angebracht war, wurde mit Bescheid vom 20. April 2022 die Beschlagnahmung von der Behörde angeordnet und parallel entsprechende Strafbescheide verschickt. Das Gericht hält extra fest, dass nicht die Behörde die Inschrift abschlagen hat lassen, sondern dies vom Ehrenzug durchgeführt wurde.
Aus dem Urteil ergibt sich, dass die Richterin nicht gerade erfreut war, dass der Ehrenzug-Obmann, Marko Grbesa, der die gegen ihn verhängte Strafe vor Gericht bekämpfte, kommentarlos und ohne Entschuldigung der Verhandlung ferngeblieben ist. Ihn vertraten sein Anwalt und der erst vor kurzem eingesetzte neue Geschäftsführer des Vereins. Der Geschäftsführer, ein Klagenfurter Bauunternehmer, war offenbar von niemandem vorbereitet worden und konnte die meisten Fragen nicht beantworten. Auch die vom Verein vorgeschlagenen Experten und das vom Verein beauftragte Gutachten vermochten das Gericht nicht zu überzeugen („[besteht] in weiten Bereichen aus Wertungen, die einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren“). Auch das Argument, dass verschiedene Vereine in Kroatien und eine Ortschaft in Österreich ein Symbol verwenden würden, das dem angezeigten Wappen ähnlich ist, zog vor Gericht nicht, da in diesen Fällen kein klarer Kontext zum Zweiten Weltkrieg wie beim Gedenkstein gegeben ist. Vielmehr verwies das Gericht auf frühere Entscheidungen des VwGH, demnach das Abzeichengesetz für „die Frage nach der geschichtlichen Wurzel des Abzeichens, seiner derzeitigen Zweckbestimmung oder nach dem Beweggrund für seine öffentliche Darstellung keinen Raum lässt.“
In der Verhandlung und der Befragung der Expert:innen (als Zeug:innen) drehte es sich vor allem um die Frage, ob es sich beim Schachbrett-Symbol, das die Soldaten der 13.SS-Division auf ihren Ärmeln trugen, Verbandssymbole waren oder bloße Hinweise auf ihre nationale Herkunft. Schlussendlich lagen laut Gericht ausreichend Beweise vor, demnach es sich um ein Emblem des Verbands handelte – und dementsprechend laut Abzeichengesetz nicht gezeigt werden darf.
Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht eine ordentliche Revision ausschließt. Die Hürden für den Verein um diese Entscheidung in der nächsten Instanz zu bekämpfen sind damit sehr hoch. Der Verein hat dazu noch bis Mitte September 2024 Zeit, dann wird das Urteil rechtskräftig.
Auswirkungen der Entscheidung
Die Konsequenzen dieser Entscheidung sind weitreichend und für den Bleiburger Ehrenzug einschneidend. Mit ihrer schwach begründeten und verteidigten Beschwerde gegen die Entscheidung haben sie eine Feststellung eines österreichischen Gerichts produziert, die nicht mehr revidierbar ist. Es steht nun definitiv fest, dass das Symbol in Österreich verboten ist. Das gilt für alle und überall, für Ustaša-Fans die nach Bleiburg/Pliberk pilgern aber auch für Fans von Dynamo Zagreb, die das Wappen gerne auf T-Shirts und Aufklebern verwenden.
In weiterer Folge wird zu prüfen sein, wo dieses Symbol noch verwendet wird – und eventuell ebenso strafbar ist. Hier wäre etwa an die Vereins-Fahne des Bleiburger Ehrenzug, beim Gedenkstein für den Ustaša-General Tomislav Rolf in Völkermarkt/Velikovec oder bei der Gedenktafel im Ehrenhain des Ulrichsbergs zu denken.
Mit der Entscheidung hat sich der Verein auch verbaut, die Feiern in Österreich wiederzubeleben. Die Gedenkstätte und der Gedenkstein sind in einem schlechten Zustand und müssen umfassend renoviert werden. Am Gedenkstein sind Inschrift und Wappen abgeschlagen – können nun aber nicht wieder angebracht werden, ohne sich erneut strafbar zu machen.
Es hat nun bereits die Legislative (Parlamentsbeschluss), Exekutive (BMI-Bericht) und Judikative (Verwaltungsgericht) zu Aspekten des faschistischen Treibens in Bleiburg Stellung bezogen. Abseits davon hat auch die zuständige Diözese und zahlreiche Medien in Berichten das Treffen teils scharf kritisiert. Demonstrationen und Bockaden vor Ort und auf den Zufahrtsstraßen haben in den letzten Jahren die Feier zusätzlich gestört. Man wird sehen, ob Ehrenzug und alle anderen Ustaša-Fans nun einsehen, dass die Feier endgültig Geschichte ist.
Feier im Mai 2025?
Der „Mythos Bleiburg“ bezieht sich auf imaginierte Geschehnisse im Mai 1945 in Bleiburg/Pliberk. 2015, zur 70. Wiederkehr dieses Datums, pilgerten 30.000 Personen zum Gedenkstein, der Verein wurde von Behörden und lokaler Politik hofiert, die Bundesstraße wurde gesperrt damit 500 Busse parken konnten. Für Mai 2025 gilt es anzunehmen, dass kroatische Regierung, Kirche und der Bleiburger Ehrenzug eine Rückkehr nach Bleiburg versuchen werden.
Aus heutiger Sicht und unter dem Vorzeichen dieses Gerichtsurteils ist es unwahrscheinlich, dass dem Ehrenzug dies wieder gelingt. Die Unterstützung von Kirche, Behörden und Politik ist verwirkt, das Urteil schafft für den Verein und die anreisenden Gäste Unsicherheit, welche Symbole nun noch legal gezeigt werden dürfen. Die Zeiten, wo Teilnehmer:innen der Feier anwesenden Medien zufrieden mitteilten, dass sie in Bleiburg alles dürften was in Kroatien und anderswo verboten sei (vgl. Der Standard/Stajić: "Hier dürfen wir alles bis auf den Nazi-Gruß") sind lange vorbei. Es gilt zu hoffen, dass die aus nah und fern anreisenden Ustaša-Fans diesen Versuch unterlassen.
Nachtrag 8. Oktober 2024
Das Landesverwaltungsgericht Kärnten/Koroška hat die Entscheidung nun online gestellt, siehe: Erkenntnis KLVwG-1045/18/2023.
Der Bleiburger Ehrenzug / Počasni bleiburški vod hat in einem Facebook-Posting mitgeteilt, dass sie das Erkenntnis beeinsprucht haben. Ein Faksimile der Revision ist auf Facebook einzusehen. Demnach wurde ihnen das Erkenntnis vom 8. August am 13. August zugestellt und ihr Anwalt hat am 24. September, haarscharf an der Sechs-Wochen-Frist, dagegen berufen. Wir werden sehen was die nächste Instanz von der Eingabe hält.
Quellen
[1] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/731?selectedStage=100
[2] https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=4834616951752F412F45593D
[3] Als Höchststrafe für Vergehen nach dem Abzeichngesetz war bis Ende 2023 maximal 4.000 EUR vorgesehen, mit der letzten Novelle (BGBl. I Nr. 177/2023) wurde die Strafe auf 10.000 (bzw. 20.000 EUR) angehoben. Für das gegenständliche Verfahren gilt der Betrag vor der Novelle.