Bleiburg-Bericht: Verbot des Ustaša-Treffens möglich

    (23.11.2021) Dieser Tage wurde der Bericht der „Arbeitsgruppe Bleiburg“ im Bundesministerium für Inneres (BMI) veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe hat sich über ein Jahr damit beschäftigt, ob das jährliche Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk verboten werden kann und verboten werden soll. Der nun vorgelegte Bericht kommt nach 104 Seiten zum Schluss: Ja und Ja.

    Parlamentsbeschluss und Arbeitsgruppe

    Anfang 2020 stellte sich die Frage, wie es mit dem jährlichen Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk unter der neuen Regierung (ÖVP-Grüne) weitergeht. Unternimmt die neue Regierung klare Schritte gegen das Treffen, oder geht es weiter wie bisher? Bevor noch klar war, dass wegen der Corona-Pandemie das Treffen sowieso ausfällt, äußerte sich Sabine Schatz (SPÖ) kritisch zum Treffen [1], dem schloss sich dann auch Olga Voglauer (Grüne) an [2]. Zwischen den Parlamentsklubs der Regierung (ÖVP, Grüne) und Opposition (SPÖ, NEOS) wurde ein gemeinsamer Entschluss zum Treffen verhandelt und am 9. Juli 2020 der Antrag „Untersagung der Feier im Gedenken an das "Massaker von Bleiburg" (731/A(E))“[3] mit den Stimmen von vier von fünf Parlamentsparteien beschlossen.

    Der Beschluss lautet: „Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, (...) alle Möglichkeiten zu prüfen, durch rechtliche Maßnahmen auf innerstaatlicher, bilateraler sowie auf europäischer Ebene die ultranationalistisch-faschistische Gedenkfeier am Loibacher Feld Nähe Bleiburg/Pliberk (...) im Jahr 2021 und in den Folgejahren zu unterbinden (...)"[4]

    Der Beschluss legte nicht fest, wie dieses Verbot bzw. die Prüfung ihrer Zulässigkeit geschehen soll. Das Innenministerium entschied im Juli eine Arbeitsgruppe einzurichten, diese tagte am 10. September 2020 zum ersten Mal.[5]

    Fragwürdige Zusammensetzung der Arbeitsgruppe

    Die Expert*innengruppe tagte zwischen September 2020 und September 2021 sechs Mal.[6] In die Arbeitsgruppe waren vor allem VertreterInnen von Sicherheitsbehörden (BMI, LPD) und verschiedener Ministerien (Inneres / BMI, Justiz / BMJ, Bundeskanzleramt, Äußeres / BMEIA) teil. Seitens der Wissenschaft nahmen ein Verwaltungsrechtler und drei Historiker*innen teil. Die Kärntner Landesregierung und die BH Völkermarkt entsandte ebenso je einen Vertreter. Außerdem nahm ein Vertreter der Katholischen Kirche Kärnten teil.

    Hier beginnt das Problem mit dieser Arbeitsgruppe. Einerseits waren mit Bezirkshauptmann Klösch und Landespolizeidirektorin Kohlweiß zwei Schlüsselfiguren der bisher beschwichtigenden Behördenpolitik gegenüber dem Treffen vertreten (Artikel: Der Unwille der Behörden), andererseits konnten der kärntner Landesamtsdirektor-Stellvertreter Matschek und der Ordinatskanzler der Diözese Gurk Ibounig erklären, wieso sie bisher alles richtig gemacht haben. Vor allem das Land Kärnten ermöglichte in der Vergangenheit den Ankauf von immer neuen Grundflächen am Loibacher Feld / Libuško polje und damit den massiven Ausbau der Gedenkstätte, und segnete Verkäufe, Widmungen und Bauwerke ab. Eine kritische Betrachtung dieses Aspekts durch externe Expert*innen wäre wünschenswert gewesen.

    Nicht nachvollziehbar ist, warum die Kirche in dieser Arbeitsgruppe geladen wurde. Denn es wurden sonst keinerlei Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Opferverbände oder antifaschistischen Vereinigungen eingeladen, auch keine andere Religionsgemeinschaft. Dass die katholische Kirche Teil der Arbeitsgruppe war, liegt wohl daran, dass sie bisher (bis 2019) die Feier unter dem Banner einer religiösen Feier stattfinden hat lassen – was sie eher zu einer Mitveranstalterin macht als zu einem Akteur, der an einer Prüfung eines Verbots teilnehmen sollte.

    Arbeitsplan und Beschränkungen der AG

    Der Arbeitsgruppe wurden offenbar klare Vorgaben gemacht, was geprüft werden darf und was nicht. Gleich auf S. 4 des Berichts wird festgelegt, dass „lediglich die in der Zukunft liegenden Feiern (2022 ff.) beurteilt, nicht jedoch die Feiern 2021 und davor“ beurteilt werden durfte. Es wurden daher „auch keine Verwaltungsakten der Behörden eingesehen. Ebenso wurde in keine Redetexte oder -transkripte, Fotos, Filmaufnahmen, sonstiges Schriftgut oder entsprechenden Unterlagen aus Archiven des Landes oder Bundes eingesehen.“ (S. 4) Das ist an Absurdität nicht zu überbieten, denn wie soll eine in der Zukunft liegende Veranstaltung beurteilt werden, wenn man sich nicht anschauen kann, wie sie die letzten sechs Jahrzehnten stattfand? Die Arbeitsgruppe und der Bericht hält schlussendlich diese Einschränkung nicht durch und nimmt natürlich auch frühere Feiern in den Blick. Was bleibt: Die BH Völkermarkt und die LPD Kärnten, die ja Teil der Arbeitsgruppe waren, steuerten nicht einen Akt, Bericht, Bescheid, Redemitschnitt oder Foto bei.

    Aus dem Aufbau des Berichts lässt sich schließen, dass die verschiedenen vertretenen Behörden bzw. Disziplinen je eigene Teile in die AG einbrachten und sodann für den Bericht lieferten.

    Zu zirka einem Drittel war dies eine Beschäftigung mit der Geschichte des Balkans, der Feier und des Vereins – beachtlich, wenn man eigentlich nur in die Zukunft schauen soll bzw. darf. Es wird die „Geschichte auf dem Balkan im und nach dem Zweiten Weltkrieg“ ausführlich dargestellt, wobei nicht alles daran Sinn macht. So wird ausführlich über andere kommunistische Regime am Balkan und den griechischen Bürgerkrieg beschrieben, während die Geschichtserzählung im Jahr 1949 abbricht. Warum dieses Jahr für Kroatien relevant ist, bleibt offen. Die Geschichte des Ustaša-Treffens und des Gedenkortes ist ausführlich (20+ Seiten) dargestellt, hier wird auch teils auf BMI-Akten zurückgegriffen. In diesem Kapitel wird auch ausführlich auf den zentralen Gedenkstein eingegangen und problematisiert, dass mit diesem einer faschistischen Armee gedacht wird.

    Rechtliche Einordnung

    In einem zweiten Drittel findet eine rechtliche Darstellung und Prüfung statt. Diese ist zum Teil allgemein und abstrakt, geht aber auch oft genug auf die Anwendung der maßgeblichen Gesetze auf die Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk, den Verein Bleiburger Ehrenzug und die Erfahrungen der Jahre 2015 bis 2020 ein. Nicht nur im geschichtlichen Abriss sondern auch in diesem „rechtlichen Teil“ sieht man, dass die erwähnte Vorgabe nur die „Zukunft“ zu prüfen, nicht eingehalten werden konnte.

    Im rechtlichen Teil des Berichts wird die bisherige Rechtsmeinung der Kärntner Behörden vollständig verworfen. Anders als lange von der als zuständigen Versammlungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt) behauptet, kann die Gedenkfeier in Bleiburg nicht als „religiöse Feier“ aus dem Versammlungsrecht herausgenommen werden. Ganz im Gegenteil: dadurch, dass der politische Charakter der Feier überwiegt, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz handelt. Im Kern eröffnet diese Feststellung die Möglichkeit zur Untersagung der Feier. So ist auf Seite 72/73 zu lesen: „Auf Grund der Erfahrungen in den Jahren vor 2020 kann (…) davon ausgegangen werden, dass sich bei einer neuerlichen Versammlung dieser Art Vorkommnisse ereignen, die mit der kompromisslosen Ablehnung des Nationalsozialismus und des Faschismus, zu der sich Österreich verpflichtet hat, nicht vereinbar ist.“

    Gedenkstein (2020) - laut BMI-Bericht ist das Emblem "ein nach dem Abzeichengesetz verbotenes Abzeichen."

    Meinungswandel zu Gedenkstein

    Es schaut so aus, als hätten BMI, BH Völkermarkt und DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien) endlich eine Streitfrage geklärt, die seit zumindest 2015 offen war. Bekanntlich ist am Gedenkstein in Bleiburg seit ca. 2002 das Ustaša-Wappen angebracht: das mit weiß beginnende rot-weiße Schachbrettmuster. Das DÖW belegte 2016 in einer Sachverhaltsdarstellung [8], dass dieses Symbol nach dem Abzeichengesetz verboten ist, da das Symbol auch von der 13. Waffen-SS-Division als Ärmelabzeichen verwendet wurde. Die BH Völkermarkt als zuständige Verwaltungsstrafbehörde befragt dazu die Experten im LVT Kärnten. Das LVT Kärnten schaute auf Wikipedia nach (das nennt man dort dann „internationale Quellen“) und empfahl die Einstellung des Verfahrens. Tatsächlich stellte die BH Völkermarkt dieses mit der Begründung ein, dass das fragliche Wappen schon vor 1938 (bzw. 1941) verwendet wurde und auch anderswo zu finden sei und daher nicht strafbar sein könnte. Das DÖW protestierte damals gegen die Entscheidung und die absurde Begründung [9] – die in weiterer Folge im Grunde eine Legalisierung sämtlicher Nazi-Symbole samt Hakenkreuz bedeuten würde, die ja nachweislich vor 1933/1938 genutzt wurden.

    Die Arbeitsgruppe – in der Vertreter der BH Völkermarkt und des DÖW saßen, nicht aber des LVT Kärnten – nahm sich dieser Sache offenbar nochmal an und kam zu einer neuen Einschätzung: „Wie die Abbildungen des Gedenksteins am Loibacher Feld zeigt, findet sich dort eben das mit Weiß beginnende Wappenschild. [Es handelt] sich damit also insoweit um ein nach dem Abzeichengesetz verbotenes Abzeichen. Im Hinblick darauf, dass das mit weißem Feld beginnende Wappen lange Zeit eines der offiziellen Wappen Kroatiens war und sich so heute noch auf vielen historischen Darstellungen wiederfindet, ist in diesen nicht im nationalsozialistischen Zusammenhang und vor 1941 entstandenen Fällen nicht davon auszugehen, dass durch die Verwendung der Darstellung strafbares Verhalten gesetzt wird.“ (S. 81-82)

    Übersetzt heißt das: Wenn das Ustaša-Wappen irgendwo 1941 oder danach angebracht wurde, ist es verboten – also auch am Gedenkstein in Bleiburg/Pliberk (oder im Ehrenhain des Ulrichsbergs). Wenn das gleiche Symbol irgendwo vor 1941 angebracht wurde, dann ist es nicht verboten.

    Ausbau der Gedenkstätte seit 1965 - laut Landesbehörde ist aber nur die Phase ab 2002 relevant.

    Kuriose Beiträge und Nullmeldungen

    Der rechtlichen Prüfung schließt sich ein kurzes Kapitel zum Grundkauf vor Ort an, beigesteuert vom Amt der Kärntner Landesregierung (Fußnote 174). Es handelt sich dabei um eine völlig sinnlose Ausarbeitung mit wenig Informationswert, denn der erste Grundkauf wird hier 2002 festgemacht, wobei die erste Erwerbung von Grundstücken aus dem Umfeld der Ustaša-Vereine bereits 1965 stattfand (Artikel: Geschichte des Ortes). Die Ausarbeitung kommt auch zum Schluss, dass alles rechtlich korrekt war, und falls nicht, dann wäre der Grundkauf nicht mehr rückabwickelbar. Eine totale Nullmeldung aus Kärnten, die Interventionen des damaligen LH Jörg Haiders (Landeshauptmann von 1999 bis 2008), die erst zum Ausbau der Gedenkstätte (Bauwerk, Bühne, Soldatenfriedhof, etc) geführt haben, bleiben also weiter unaufgearbeitet

    Kurios auch ein Kapitel, dass das BMI einfach 1:1 aus einer Ausarbeitung des Wissenschaftlicher Dienst des deutschen Bundestages („Völkerrechtliche Zulässigkeit von Verboten nationalsozialistischer und faschistischer Symbole“) kopiert, wobei die Überprüfung der verbotenen Symbole schon zuvor in einem eigenen Kapitel geschehen ist. Hier war das BMI wohl zu faul, die Ergebnisse der eigenen Rechtsabteilung für Österreich mit jenen der deutschen Kolleg*innen für Deutschland abzugleichen und stellt sie daher ohne Vergleich nebeneinander.

    In einem weiteren Kapitel werden die rechtlichen und kirchenrechtlichen Grundlagen der Feier darlegt. Hier springt ins Auge, dass dieses Kapitel nicht vom Vertreter des Kultusamtes (einer im Bundeskanzleramt angesiedelten Behörde) in der Arbeitsgruppe sondern vom Vertreter der Diözese Gurk-Klagenfurt geschrieben wurde (Fußnote 194). Dass ein Kirchenvertreter an so einem Bericht mitschreibt ist an sich schon ein Skandal – in diesem Fall aber besonders: Die örtliche Diözese hat das jährliche Ustaša-Treffen über Jahre erlaubt und gedeckt, das faschistische Treiben verharmlost und für ein Fortbestehen interveniert. Die örtliche Kirche ist mehr als Mitveranstalter denn als neutraler Akteur zu sehen. Im Beitrag wird recht offen ausgeführt warum die Kirche 2018 erstmals Auflagen erteilte und 2019 die Zustimmung für eine Bischofsmesse entzog, eine „einfache“ Messe aber weiter duldete. Schlussendlich wird auch klar dargelegt, was passieren müsste, damit man seitens der örtlichen Kirche wieder eine Feier wie früher erlaubt.

    Verbot der Ustaša-Feier

    Der Bericht hat zwei zentrale Schlüsse.

    1. Die Ustaša-Feier wie bisher muss untersagt werden.
    2. Der Gedenkstein muss weg: Würde er bleiben, müsste das (wegen dem Emblem und der Widmung) zum Verbot jeder Feier führen.
    TeilnehmerInnen der Gedenkfeier 2019 - laut LPD gab es an 2019 nichts zu beanstanden, laut BMI-Bericht sehrwohl. (Bild: AK Bleiburg/Pliberk, 2019)

    Zum Verbot der Feier: Der zentrale Satz des Berichts lautet: „Im Ergebnis kommt die ExpertInnengruppe daher zum Schluss, dass eine Versammlung in der Art, wie sie insbesondere in den Jahren 2019 und davor stattfand, in Hinkunft zu untersagen ist.“ (S. 103). Das ist dann doch recht eindeutig, und – wenn auch verklausuliert – ein klarer Tadel für die bisherige Praxis, den Veranstaltern alles durchgehen zu lassen. Der Formulierung ist nur durch die Vorgabe der Arbeitsgruppe zu verstehen, die bisherige Behördenpraxis nicht kritisieren zu dürfen. Denn klar ist: Die Gesetze wurden in der Zwischenzeit nicht geändert oder verschärft. Der Gedenkstein ehrt seit 1988 eine faschistische Armee, auf der Feier wird seit jeher der Ustaša-Staat besungen und problematische Reden im kirchlichen Gewand gibt es seit Jahrzehnten. „Versammlungen wie bisher“ sind also in Zukunft verboten, aber in der Vergangenheit waren sie korrekt – das ist ein Widerspruch, aber offenbar die Voraussetzung für das Verbot. Anders gesagt: Der Bezirkshauptmann und die Polizeidirektorin, die bisher alles gemacht haben, um die Feier stattfinden zu lassen, dürfen ihre Ämter behalten. Apropos Landespolizeidirektion: An diesem Satz ist zudem bemerkenswert, dass auch die Feier im Jahr 2019 noch beanstandet wird. Bisher war die BH Völkermarkt und LPD Kärnten sehr bemüht, nur die Jahre bis 2018 als „problematisch“ darzustellen, während die Feier im Jahr 2019 als Erfolg der konsequenten Polizeiarbeit gefeiert wurde.

    Der Gedenkstein muss dem Emblem und der Widmung entfernt oder geändert werden (Bild: AK Bleiburg/Pliberk)

    Zum Gedenkstein: Der Gedenkstein, der das Zentrum jeder Feier und Veranstaltung vor Ort darstellt und auf dem der faschistischen Armee „Ruhm und Ehre“ ausgesprochen wird, kann nicht bleiben. Zwar wird nicht direkt die Entfernung angeordnet – die Arbeitsgruppe ist ja auch keine Behörde – aber klargelegt, dass der Stein nicht so bleiben kann. Das wird, zum Ersten, am Symbol festgemacht, welches am Gedenkstein angebracht ist („Ustaša-Wappen“). Der Bericht kommt zum Schluss, dass es sich dabei um „ein nach dem Abzeichengesetz verbotenes Abzeichen“ handelt (S. 81).

    Zum Zweiten wird im Bericht auch die problematischen Widmung in den Blick genommen (S. 36, 41-44, 51, 67). Nicht nur im historischen Teil sondern auch im vom BMI verfassten rechtlichen Teil wird herausgearbeitet, dass es sich um die Huldigung einer faschistischen Armee handelt: „Mag der deutsche Text noch auf ein Gedenken an die einzelnen Soldaten hinweisen, macht der kroatische Text klar, dass es sich um ein Gedenken an die Ustascha-Armee handelt.“ (S. 67) Und im Ergebnis heißt es: „Die Messe (…) wurde an einem Ort abgehalten, auf dem ein Gedenkstein steht, der zu Ehren einer Armee eines faschistischen Regimes errichtet worden war.“ (S.102). Der drittletzte Satz des Berichts lautet. „Die ExpertInnengruppe weist darauf hin, dass der Gedenkstein am Loibacher Feld in seiner derzeitigen Form einem tatsächlich unbelasteten Gedenken entgegensteht.“

    Mögliche Hintertür?

    Die Arbeitsgruppe hat mehrfach unterstrichen, dass sie nicht per se jedes Gedenken für verboten einstuft, sondern vielmehr Varianten sieht, die erlaubt sein würden. So heißt es abschließend: “Vonseiten der ExpertInnengruppe ist ausdrücklich zu betonen, dass sie sich nicht gegen ein Totengedenken oder eine katholische Messe ausspricht.“ (S. 103). Überhaupt hat die Arbeitsgruppe an mehreren Stellen des Berichts zwischen den Zeilen recht klar Anweisungen abgedruckt, wie eine Veranstaltung gestaltet sein müsste, damit sie wieder stattfinden darf. So skizzierte der Kirchenvertreter im kirchenrechtlichen Teil die Linie der Kirche um den Sanctus der Kirche wiederzuerlangen, auch werden in einem eigenen (recht unausgegorenen) Kapitel „Alternativen“ aufgelistet.

    Einschätzung und Bewertung

    Der Bericht geht sehr weit – weiter als es der ÖVP und dem BMI zuzutrauen war. Es bleibt offen, was nun geschieht. Wenn auf österreichischer Seite der Ustaša-Verein Bleiburger Ehrenzug seinen guten Draht zur katholischen Kirche Kärnten, zur LPD Kärnten und zu BH Völkermarkt bemüht und auf der kroatischen Seite die dortige Regierung und Kirche Druck macht, wird sich wohl ein Weg finden, die Feier weiterhin durchzuführen. Fraglich ist, ob LPD und BH endlich einschlägige Weisungen von BMI erhalten, den weitreichenden Support einzustellen. Wird der Bericht allerdings ernstgenommen, könnte er auch das Ende der Feier bedeuten, weil er die zuständigen Behörden zum Handeln zwingt.

    Der Bericht enthält einige Hinweise, wie eine Feier ausschauen muss, damit sie erlaubt wird. Gleichzeitig wäre so eine Feier nur mit ziemlich schmerzlichen Maßnahmen möglich, was dem Ehrenzug und den Veteranenverbänden nicht leicht fallen würde: Das Ustaša-Wappen und die kroatische Armee vom Stein abschlagen, konsequent alle schwarzen Fahnen und Verweise auf die Ustaša absammeln – da stellt sich dann schnell die Sinnfrage für einen Ustaša-Verein.

    Bis zur nächsten Feier im Mai 2022 sind es noch sechs Monate. Die BH Völkermarkt und die LPD Kärnten beginnen meist proaktiv im Jänner ihre Verhandlungen mit dem „Bleiburger Ehrenzug“ um die Feier zu planen. Es bleibt fraglich, ob dann der Ehrenzug bereits eine Linie hat, wie mit den neuen Vorgaben umgegangen werden soll und ob man sich den Einschränkungen beugt. Dazu kommt, dass rechtlich noch nicht geklärt ist, wem das Grundstück samt Gedenkstein gerade überhaupt gehört: Der Besitzer ist verstorben, das Verlassenschaftsverfahren läuft noch.

    Hoffnungen, dass der Gedenkort in Bleiburg/Pliberk aufgelassen und vergessen wird, sind wohl verfrüht: Zu Allerseelen/-heiligen 2021 fanden sich 150 Personen vor Ort ein und legten Kränze nieder. Es gab tatsächlich aber keine nationalistischen Posen oder faschistische Fahnen, die paar Busse parkten am Privatgrundstück und nicht auf der Landesstraße.

    Auch Teil der Arbeitsgruppe: Kirchenvertreter Ibounig, Polizeidirektorin Kohlweiß und Bezirkshauptmann Klösch (hier während einer PK im Jahr 2018)

    Auslassungen und Versäumnisse

    Wie bereits erwähnt wurde, hat man sich dagegen entschieden, das Versagen der Behörden in Kärnten/Koroška aufzuarbeiten: Das jahrelange Entgegenkommen des Bezirkshauptmanns, situationselastische Statistiken der Polizeidirektorin (Artikel: Behördliche Zahlenspiele), die abstrusen Erfindungen des Verfassungsschutzes (Artikel: 'Da haben wir nur zugeschaut'). Das war wohl eine politische Vorgabe, die man zur Kenntnis nehmen muss. Es gibt nun also eine politische Entscheidung, dass man den Zustand ändern will – es gibt aber keine Aufklärung, wie es dazu gekommen ist.

    Die Arbeitsgruppe hat sich offenbar nicht mit Symbolen und Emblemen beschäftigt, die während der Veranstaltung gezeigt werden. Lediglich mit dem Abzeichengesetz und seiner Anwendung auf den Gedenkstein hat man sich beschäftigt. Das ist insofern verwunderlich, als in der Einleitung (Kap. 1.1) auch der Nationalratsbeschluss zur Evaluierung der Verordnung zum Symbole-Gesetz zitiert und damit als Teil des Arbeitsauftrags dargestellt wird. Wenn dies also zum Auftrag gehörte, dann hat man ihn nicht erfüllt – oder das Ergebnis nicht in den Bericht gedruckt. Tatsächlich wurde – als Reaktion auf den Anschlag vom 2.11.2020 – parallel zur Arbeitsgruppe das Symbole-Gesetz novelliert, wobei die Änderung im Juli 2021 in Kraft trat, worauf der Bericht auch eingeht (S. 74). Der Bericht liefert keinen Einblick, ob und wie sich die Arbeitsgruppe tatsächlich mit den während der Feiern gezeigten Symbolen beschäftigt hat, auch gibt der Bericht keine Empfehlungen für eine Änderung des Symbole-Gesetzes ab.

    Die Beiträge der anderen Ministerien, Justiz- und Außenministerium, sind nur mit der Lupe zu finden. Das Justizministerium beteiligte sich mit fünf mageren Zeilen am Bericht: Zu wieviel Verurteilungen es 2017 bis 2019 nach dem Verbotsgesetz kam. Kein Wort zu den zahlreichen Verfahrenseinstellungen mangels ausreichender Polizeiarbeit oder der LVT-These vom legalen „kroatischen Hitlergruß“. Der Beitrag des Außenministerium lässt sich nicht erkennen.

    Offen bleibt, ob sich die Arbeitsgruppe mit dem Ustaša-Verein „Bleiburger Ehrenzug“ und den Grundstückskäufen beschäftigt hat. Beides waren klare Aufträge des Nationalrats, im Bericht findet sich dazu jedoch nichts. Kurios daran ist, dass der Nationalrat das BMI im Konkreten beauftragt hat, „den zuständigen verantwortlichen Behörden des Landes Kärnten“ Unterlagen zum Grundstückerwerb und zum Verein zu übermitteln. Die wenigen Informationen zum Grundstückerwerb kamen aber von der Kärntner Landesregierung, zum Verein kamen scheinbar seitens der Vereinsbehörde in der LPD Kärnten gar keine Unterlagen – insofern wird spannend, wie diese „Unterlagenlieferung“ von Wien nach Klagenfurt/Celovec aussehen wird.

    Ohne jährliche Feiern und Instandstetzung verfällt die Gedenkstätte zusehends (hier: Mai 2020) - vielleicht wächst bald Gras über die Sache. (Bild: AK Bleiburg/Pliberk, 2020)

    Conclusio

    Der Expert*innenbericht ist definitiv ein Fortschritt, weil er Handlungsempfehlungen für die Zukunft gibt. Der Bericht vermeidet es das Behördenversagen der Vergangenheit aufzuarbeiten, kommt aber nicht ganz umhin, die bisherigen Entscheidungen indirekt zu kritisieren. Für die österreichische Verwaltung ist es ein Armutszeugnis, dass es einen Parlamentsbeschluss und in Folge eine Arbeitsgruppe mit 10+ Beamt*innen auf Ministeriumsebene samt dreier Sektionschef*innen braucht um die haarsträubenden Entscheidungen und das zweifelhafte Entgegenkommen eines Bezirkshauptmann endlich zu berichtigen. Fehlerkultur? Fehlanzeige.

    Der Bericht lässt sich als klares Verbot jeder Veranstaltung, der bei diesen Veranstaltungen bestimmenden Symbolen und des für die Veranstaltung zentralen Gedenksteins lesen. Ob das jene Behörde schafft umzusetzen, die bisher schon Schwierigkeiten hatte, entsprechende Gutachten anzuwenden, wird sich zeigen. Dafür, dass sich im Juli 2020 vier von fünf Parlamentsparteien klar für ein Verbot der Feier ausgesprochen haben, ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Weder gibt es einen administrativ-exekutiven noch einen legislativen Akt, der der Veranstaltung ein Ende bereitet, wieder liegt der Ball beim obersten Beamten eines Bezirks mit 40.000-Einwohner*innen. Bei einer 4/5-Parlamentsmehrheit und 18 Monate Arbeit in der Arbeitsgruppe wäre mehr drinnen als dieses Verbot mit Hintertür.

    Quellen

    [1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200222_OTS0020/spoe-schatz-fordert-absage-von-ustaa-treffen-in-bleiburg

    [2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200417_OTS0069/voglauer-ustascha-aufmarsch-in-bleiburg-findet-nicht-statt; https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200515_OTS0037/voglauer-wir-muessen-faschisten-treffen-verhindern

    [3] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00731/index.shtml#tab-Uebersicht

    [4] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/A/A_00731/index.shtml#tab-Uebersicht

    [5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200910_OTS0187/nehammer-start-der-arbeitsgruppe-zu-gedenken-auf-dem-loibacher-feld

    [6] 10. September und 4. November 2020, 27. Jänner, 21. April, 23. Juni und 8. September 2021

    [7] https://www.doew.at/cms/download/err9l/Pliberk_doew.pdf

    [8] https://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/neues-von-ganz-rechts/archiv/september-2016/freibrief-durch-bezirkshauptmannschaft