Nachbetrachtung 2018: Polizei, Behörden und das Ustaša-Treffen

    Kärntner Polizisten bei der Arbeit (Bleiburg, 2018).
    Ustaša-Fahne vor der Polizei? Kein Problem in Kärnten/Koroška! (Bleiburg 2018)

    Vergleicht man das Vorgehen der Sicherheitsbehörden bei der diesjährigen Ustaša-Feier am 12.5.2018 mit jenem in den Vorjahren fallen in manchen Punkten Unterschiede auf: Neu war, dass man in manchen Teilen der Feier (Friedhof) sichtbarer und repressiver aufgetreten ist, gleichzeitig aber den öffentlichen Raum und die Feier an sich gänzlich unkontrolliert ließ. Die zweite Veränderung stellt sicherlich der Umstand dar, dass es im Jahr 2018 erstmals zu Festnahmen von BesucherInnen der Ustaša-Feier kam. Und in Folge, dass die Festgenommenen über Wochen in U-Haft blieben und bereits zwei Monate nach der Feier die Verfahren gegen sie abgeschlossen waren.

    NDH-Fahne und Polizeiüberwachung, Bleiburg 2018.

    Selbstverständnis der Behörden: Dienstleister für Faschist_innen

    Das Hauptproblem der Situation in Bleiburg/Pliberk bleibt der Umstand, dass sich die Sicherheitsbehörden und insbesondere der Völkermarkter Bezirkshauptmann als Dienstleister für die Veranstalter verstehen. Die Ustaša-Feier, die im Behördensprech verniedlichend nur „Kroaten-Feier“ oder „Muttertagsgedenken“ heißt, wird als die Norm angenommen. Man redet sich ein, die Feier würde seit 1951 in der hergebrachten Form stattfinden und missachtet dabei, dass diese erst seit 2003 überhaupt eine kirchliche Feier ist. Dass es diese Feier zu überwachen gilt und man sich des Vorwurfs des Amtmissbrauchs und der Kompanei ausgesetzt sieht wird als Ärgernis wahrgenommen, woran Medien und Politik Schuld tragen würden. Die Kärntner Behörden sehen sich als Opfer und Getriebene, man wünscht sich den früheren Zustand herbei, in dem Bischöfe und Kardinäle, Minister und Präsidenten, Botschafter und Abgesandte dem Bezirkshauptmann Aufwartungen gemacht haben und überschwänglich für die Gastfreundschaft gedankt haben.

    Dabei will (oder kann) man das Problem aber nicht grundsätzlich angehen: Dass die Ustaša-Feier nie eine „kirchliche Feier und Prozession“ war, sondern dieses Etikett nur benutzt wurde, die Veranstaltung ohne behördliche Auflagen durchführen zu können. Anstatt einzugestehen, dass diese Feier längst den „kirchlichen“ Rahmen verlassen hat versucht man verzweifelt die offensichtlichsten Verstöße zu kaschieren.
    So auch 2018.

    Sichtbarkeit und Repression

    Die Feier wird (um aus dem Versammlungs- und Veranstaltungsrecht rauszufallen) seitens der Veranstalter als ‚Prozession‘ deklariert. Der erste Veranstaltungsteil findet auf dem Friedhof des Ortes Unterloibach/Spodnje Libuče statt, dem als zweiter Teil ein Marsch auf der öffentlichen Straße folgt um, Drittens, zum eigentlichen „Loibacher Feld“ (Privatgrund) samt Gedenkstein zu kommen. Das heißt für rund zwei Kilometer bzw. für 20 Minuten ist die Feier tatsächliche eine Prozession, davor und danach aber nicht.

    Gedenkfeier am Feld 2018: PolizistInnen überwachen das Geschehen (bzw. ihre Telefone) (Bleiburg 2018)

    Der erste und dritte Teil der Versammlung wurde während der Gedenkfeier 2018 überwacht und kontrolliert. Am Friedhof Unterloibach/Spodnje Libuče durch Kontrollen an den Eingängen und durch Posten und ein Video-Doku-Team auf dem Friedhof selbst. Auch während der Gedenkfeier am „Loibacher Feld“ waren PolizistInnen anwesend: zivil, in Uniform und mit Videokamera

    Erstaunlich war dabei, dass man den Marsch von Friedhof zum Feld nur sehr unzureichend überwachte. Anders gesagt: Die Sicherheitsbehörden konzentrierten sich darauf, die beiden Privatgrundstücke – Friedhof und Feld – zu überwachen, überließen den öffentlichen Raum – Bundesstraße, Gemeindestraße, Wohngebiete, Parkplätze, usw. – vollkommen den TeilnehmerInnen.

    Gemeinsame Pressekonferenz und Gemeinsame Stellungnahme: Kärntner Kirche und Kärntner Behörde Seite an Seite. (Klagenfurt, 2018)

    Gemeinsame Stellungnahme statt Kontrolle durch Behörden

    In einer „Gemeinsame Stellungnahme“ taten die Diözese Gurk-Klagenfurt, die LPD Kärnten und die BH Völkermarkt am 23. April 2018 kund, unter welchen Bedingungen die Gedenkfeier stattfinden werde. Schon in der Art und Weise dieser gemeinsamen Stellungnahme wird deutlich, welche Rolle die Sicherheitsbehörden in Kärnten/Koroška einnehmen: Nämlich die eines Beraters und Partners der Veranstalter und nicht die einer kontrollierenden Behörde.

    Zur Verdeutlichung dieses seltsamenen Arbeitsverhältnisses und Amtsverständnisses stelle man sich vor, kurz vor dem Wiener Akademikerball würde die LPD Wien zusammen mit dem Veranstalter (WKR) eine gemeinsame Presseaussendung machen und verkünden, dass man übereingekommen wäre, heuer aber auch wirklich auf die Einhaltung aller Gesetze zu achten. Oder, dass sich drei Tage vor der dem Ball Polizeidirektorin und ein Vertreter der Veranstalter in einer gemeinsamen Pressekonferenz gemeinsam auf Kritiker einschießen.

    Klingt komisch? Nicht in Kärnten/Koroška. Am 23.4.2018 fühlte man sich seitens der LPD Kärnten bemüßigt zu erklären, dass „[e]twaige Gesetzesübertretungen nach dem Strafgesetzbuch, dem Verbotsgesetz bzw. sonstigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften (...) – wie auch die Jahre zuvor – rigoros geahndet bzw. angezeigt werden“ würden. Auch die BH Völkermarkt war sich nicht zu schade zu unterstreichen, dass auch sie gedenke „[d]ie östereichische Rechtsordnung (...) als Sicherheitsbehörde I. Instanz ausnahmslos“ durchzusetzen.

    Festnahme am Rande der Feier 2018 (Bleiburg, 2018).
    Teilnehmer der Feier - er wird später wegen seinem T-Shirt festgenommen (Bleiburg, 2018).

    Festnahmen und U-Haft

    Überraschend an der Ustaša-Feier 2018 war nicht nur die Festnahme von gleich sieben TeilnehmerInnen der offiziell als „kirchlichen Feier“ deklarierten Veranstaltung, sondern dass die Festgenommenen über Wochen in U-Haft geblieben sind. Dabei fällt Ersteres in die Verantwortung der Sicherheitsbehörden (LPD Kärnten/Koroška und BH Völkermarkt/Velikovec), Zweiteres in jene der Justiz (Staatsanwaltschaft Klagenfurt/Celovec und Landesgericht für Strafsachen Klagenfurt/Celovec).

    Am Nachmittag bzw. Abend des 12. Mai 2018 war seitens der Polizei von „neun Anzeigen nach dem Verbotsgesetz“ die Rede, wobei sieben Tatverdächtige noch vor Ort festgenommen wurden: Sechs Männer (fünf kroatische Staatsbürger, ein slowenischer Staatbürger), eine Frau (kroatische Staatsbürgerin). Von den Festgenommenen blieben sechs in U-Haft, die Frau wurde entlassen (Begründung: eventuell „Tanzbewegungen mit Hitlergrüßen verwechselt“). Die U-Haft wurde „mit Flucht- und Tatbegehungsgefahr gerechtfertigt“. Der Tatvorwurf (bei den verbliebenen sechs) lautete bei fünf auf Hitlergrüße und bei einem auf einen SS-Totenkopf am T-Shirt.

    Am 24. Mai 2018 berichtet die Staatsanwaltschaft Klagenfurt/Celovec, dass die Anklagen gegen die sechs Personen in U-Haft bereits fertiggestellt seien und die Verdächtigen bis zur Verhandlung in U-Haft bleiben würden. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage gibt das BMI Mitte Juli genauere Auskunft zu den sonstigen Tatverdächtigen: Demnach gibt es neben sechs bekannte männliche Tätern (die in U-Haft genommen wurden) und der einen bekannten weiblichen Täterin (die entlassen wurde) noch drei unbekannte männliche Täter. Ingesamt gibt es also zehn – und nicht neun – wegen Wiederbetätigung Tatverdächtige.

    Zwei Monate nach der Ustaša-Feier sind sechs Verfahren geführt, wobei fünf Personen verurteilt wurden: Am 26.6.2018 wurden in Klagenfurt/Celovec ein 26- sowie ein 54-Jährigen verurteilt, beides kroatische Staatsbürger, beide Urteile lauten auf 18 Monate bedingt. Der 26-Jährige hat während der Bleiburg-Feier ein T-Shirt mit dem Totenkopf der SS und dem Aufdruck „Better dead than red“ getragen, der 54-Jährige hat während des Ustaša-Auflaufs die Hand zum Hitlergruß gehoben [1]. Am 29.6.2018 wurde der 79-jährige kroatische Staatsbürger, dem vorgeworfen wurde die Hand während der Kranzniederlegung zum Hitlergruß erhoben zu haben, freigesprochen und enthaftet. Ebenso am 29.6.2018 wurde ein 67-jähriger kroatischer Staatsbürger, zudem Gemeinderat der HDZ seiner Heimatgemeinde, in Klagenfurt/Celovec zu 15 Monaten verurteilt [2]. Am 4.7.2018 wurde in Klagenfurt/Celovec ein 30-jährigen kroatischen Staatsbürger zu 15 Monaten bedingt verurteilt, weil er die Hand zum Hitlergruß gehoben hob [3].

    Die rasche Durchführung der Verfahren ist überraschend, vor allem wenn man sich bisherige Verfahren gegen faschistische Ustaša-Anhänger anschaut: Das Gerichtsverfahren gegen einen Kroaten, der im Mai 2017 die Hand zum Hitlergruß gehoben hat, wurde erst im April 2018 geführt und erst im Mai 2018 abgeschlossen. In Salzburg wird gegen 14 Ustaša-Anhänger aus dem Umfeld von Dinamo-Zagreb (Fangruppen Bad Blue Boys bzw. Exil Boys), denen Verstöße nach dem Vebotsgesetz im Jahr 2015 (!) vorgeworfen werden, bereits seit drei Jahren ermittelt [4].

    Die Verdächtigen der Ustaša-Feier 2018 konnten nur in U-Haft genommen werden, weil die Staatsanwaltschaft Klagenfurt/Celovec diese mit "Flucht- und Tatbegehungsgefahr“ begründete. Bei einer Haftprüfung nach zwei Wochen wurde die U-Haft bestätigt, was darauf hindeutet, dass die Polizei in diesen zwei Wochen bereits ihren Ermittlungspflichten nachgekommen ist. In den Verfahren wurde etwa mehrfach auf Dokumente bzw. Bilder auf den Handys der Beschuldigten verwiesen.

    Unterm Strich bleibt der Schluss, dass die Polizei und Sicherheitsbehörden in den Jahren vor 2018 verabsäumt haben, ihre Aufgabe zu erfüllen. Personen die faschistische T-Shirts getragen oder die Hand zum Hitlergruß gehoben haben wurden lediglich aufgeschrieben. In der Folge gelang es der Polizei als Ermittlungsbehörde nicht genug belastendes Material zusammenzutragen um eine Anklage oder Verurteilung zu erreichen.

    "Ausschreitungen" der "Prozessionsteilnehmer" konnten durch die Polizei offenbar verhindert werden... (Bleiburg 2018)

    Gefahrenlage: Ausschreitungen während Prozession?

    Die wohl absurdeste Verlautbarung im Zuge der Ustaša-Feier 2018 lautet wie folgt: „Laut Polizei kam es im Rahmen der Veranstaltung weder zu Ausschreitungen noch zu Gewaltdelikten.“ Absurd, weil eben jene Behörde nicht müde wird zu betonen, dass es sich beim Aufmarsch von 15.000 Besucher_innen mit faschistischem Gedankengut aus Österreich, Deutschland, Kroatien, usw., die mit Fahnen und Bannern, faschistischen Liedern und Schlachtliedern, Hitlergrüßen und Hetze gegen Juden, Serben, Jugoslawien und Briten, durch die Bleiburger Straßen ziehen, eben lediglich um eine „Prozession mit anschließender Messe“ handelt.

    Wenn nun aber bei einer „Prozession“ bzw. „Messe“ über Jahre dutzendfach Hitlergrüße, Hetze und sonstige schwere Vergehen festgestellt werden, die Polizei allein im Jahr 2018 zehn Fälle von Verstößen gegen das Verbotsgesetz bemerkt und angezeigt hat und die Behörde für die Veranstaltung ganz offenbar „Ausschreitungen“ nicht ausschließen konnte, stellt sich irgendwann die Frage, wielang die Sicherheitsbehörde die „Prozession“-Farce noch durchhält.

    Dieses Verbot von politischen Reden und Symbolen, Zelten und Verkaufsständen hatte im Grunde keinerlei Verbindlichkeit für die Sicherheitsbehörden sondern lediglich für die vom Verein bzw. der Kirche eingesetzten Securities. Diese waren von der Aufgabe sichtlich überfordert: Was ist eine Uniform bzw. uniformähnlich? Was alles sind inkriminierende Aufdrucke? Was sind politische Abzeichen, was „unpolitische“ Abzeichen? Und was ist mit politischen Reden vor und nach der hl. Messe? Hätten Securities das Recht, T-Shirts, Fahnen oder Uniformen abzunehmen? Dürfen sie politische Reden unterbinden? Dürfen sie den Aufbau von Verkaufsstände unterbinden? Sind das nicht Tätigkeiten, die der Polizei überlassen ist?

    Partei-Jacke auf der Feier am Friedhof: erlaubt oder nicht? Und wessen Zuständigkeit? (Bleiburg 2018)
    Uniformen und Militäradjustierung während der Feier am Gedenkfeld: erlaubt oder nicht? Und wessen Zuständigkeit? (Bleiburg 2018)

    Unklare Zuständigkeiten

    Noch immer herrscht zwischen Veranstaltern und Sicherheitsbehörde Unklarheit, was nun erlaubt und was verboten ist. Dies liegt vor allem am verschachtelten Verhältnis der Veranstalter der Ustaša-Feier: Organisiert wird die Feier von einem Verein, der aber weder Versammlung noch Veranstaltung anmeldet. Vielmehr erteilt die Katholischen Kirche Kärntens der Katholischen Kirche Kroatiens die Erlaubnis eine Segnung, Prozession und Messe durchzuführen. Die kärntner Sicherheitsbehörden erklären sodann sämtliche Tätigkeiten des Vereins und aller TeilnehmerInnen als unter die Ausnahmeregel für katholische Prozessionen fallend und zieht sich als polizeiliche Behörde komplett zurück.

    Neu war im Jahr 2018, dass der Bischof der Katholischen Kirche Kärnten „die Verantwortlichen der Katholischen Kirche Kroatiens in diesem Jahr auch schriftlich dazu aufgefordert [hat], für folgende Maßnahmen Sorge zu tragen: Verbot politischer Reden innerhalb der hl. Messe, das heißt vom Einzug bis zum Schlusssegen; Verzicht auf das Tragen politischer Abzeichen, Plakate und Transparente, Uniformen oder uniformähnlicher Bekleidung sowie von Trikots oder sonstiger Bekleidung mit inkriminierenden Aufdrucken; Verbot des Aufbaus von Zelten und Verkaufsständen sowie kein Ausschank von Alkohol.“

    Polizei überlässt öffentlichen Raum der faschistischen Manifestation

    Die kärntner Behörden – ganz damit beschäftigt „Ausschreitungen“ unter den KirchgängerInnen zu unterbinden – zogen sich komplett zurück, wenn es um die Kontrolle des öffentlichen Raums ging. Das gesamte Ortsgebiet von Bleiburg/Pliberk und Unterloibach/Spodnje Libuče, alle Bundesstraßen und Gemeindestraßen und die Parkplätze der Supermärkte wurden am 12.Mai 2018 den anreisenden Ustaša-Fans überlassen. Besonders kontraproduktiv war diese „Einsatztaktik“ in Hinblick auf die Abweisungen von Friedhof und Gedenkfeld: Jene Personen, die wegen ihrer offen faschistischen Gewandung, wegen ihrer Ustaša-Fahnen, politischen Fahnen oder paramilitärischen Uniformen vom Friedhof oder von der Gedenkmesse von den Securitites abgewiesen wurden oder mit einer Abweisung rechneten, machten sich auf in die Ortschaften, auf der Suche nach Bier oder Kameraden.

    Die im Vorfeld der Veranstaltung von Kirche und Polizei verkündeten Maßnahmen führten also dazu, dass die faschistische Manifestation auf den zwei Privatgrundstücken (Friedhof und Gedenkfeld) ein stückweit abnahmen. Umgekehrt führten sie aber dazu, dass die Sichtbarkeit von faschistischer Manifestation im öffentlichen Raum stark angestiegen ist.

    Man darf gespannt sein wie die Bewertung der 2018 umgesetzten Vorgaben und Auflagen von Kirche und Behörden evaluiert werden und wie man für die Zukunft zu argumentieren versuchen wird, den Faschistenauflauf weiterhin als harmlose Prozession samt Messe zu präsentieren.