Transnationale Unterstützung in einer nationalistischen Angelegenheit
Die Organisation eines Events mit offenkundigem Austausch von faschistischem und kroatisch-nationalistischem Gedankengut außerhalb des kroatischen Staatsgebiets erscheint zweifelsohne politischen und juristischen Hürden unterworfen. Damit gehen nicht nur Ressourcenfragen und logistisch-administrative Aspekte einher, sondern auch substantiell politische und juristische Fragen, die sich nicht zuletzt aus dem Verbotsgesetz ergeben. Gleichwohl wird insbesondere am Beispiel der kroatischen Diaspora deutlich, wie der Umstand eines inter- oder transnationalen Agierens auf Dauer in der Tat erst zum Fortbestand bestimmter Erinnerungsformen und Praktiken beitragen kann.Die kroatisch-katholischen Missionen legen Fundamente
Abseits jener emigrierten Ustaša, die explizit faschistische und geschichtsrevisionistische Ideen verbreiteten, entwickelten sich wichtige kroatisch-katholische Pfarrgemeinden in Österreich sukzessive zu Orten breiterer ethnonationalistischer Diskurse. Davon zeugt etwa die Benennung der Salzburger Pfarrgemeinde 1948 nach Kardinal Alojizije Stepinac. Stepinac, seit 1937 Erzbischof von Zagreb, war nicht nur Vermittler zwischen dem Vatikan (Papst Pius XII) und dem Unabhängigen Staat Kroatien (Ante Pavelic); er mutierte auch zum Bindeglied zwischen jenen, die im Ziel eines ethnisch homogenen Kroatiens geeint, in der Frage nach den Mitteln aber entzweit waren. So wie sich die Figur des Alojizije Stepinac als Identifikationspunkt unterschiedlicher Schattierungen von Nationalismus, Faschismus und Antisemitismus bewährt, so legitimierte seine Seligsprechung durch Papst Johannes Paul II 1998 auch deren tiefe Eingelassenheit in den Katholizismus. Sie ist bedeutsam, um zu verstehen, wie eine Ustaša-Ideologie im Licht des öffentlichen Raums und unter breiter gesellschaftlicher Anteilnahme mitkultiviert oder gar mitzelebriert werden kann.Nach einem kurzen Absatz zur „Gastarbeiter-Epoche“ führt Vrdoljak (2002), Träger des goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich, auf den folgenden zwei Seiten den kroatischen „Kreuzweg“ (S.6) im Zuge der „Bleiburger Tragödie“ (S.6) aus. Mit der Parabel wird die Erzählung von den Begebenheiten ab Bleiburg/Pliberk in den Kontext der Leidensgeschichte von Jesus Christus gestellt, dessen Körper im übertragenen Sinne durch jenen eines kroatischen Volks ausgetauscht wird. Ohne Nennung konkreter Fakten oder Quellen, verwendet der Artikel bekannte revisionistische Ikonographie, um im zweiten Schritt die Bedeutsamkeit kroatischer Seelsorger in Österreich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu erläutern. Dabei wird im Besonderen der Pfarrer Vilim Cecelja hervorgehoben. Nach dessen Tätigkeit als Stellvertreter von Alojzije Stepinac bis 1942 wurde er 1944 nach Wien überstellt und war zwischen 1945 und 1947 im amerikanischen Glasenbach-Lager für Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher. Nach seiner Freilassung führte Cecelja die Kroatische Caritas in Salzburg und wandelte sich Cecelja zur prominenten Figur in der jungen kroatischen Diaspora. Im Rahmen des deutschen Katholikentages 1968 bezeichnete er die kroatischen Emigrant_innen als „Träger des Kampfes für einen unabhängigen Staat Kroatien in der freien Welt“ (Rede von Cecelja, 1968; zitiert in: Buchenau 2005: 30).
Personelle Kontinuitäten und diskursive Räume
Mit diesem Beispiel sollten zumindest zwei Dinge illustriert werden: Erstens verweist es auf die Rolle der kroatisch-katholischen Kirche als Medium für personelle Kontinuitäten zwischen Amtsträger(_inne)n des Ustasa-Regimes und jenen der Exil-Bevölkerung in der 2. Österreichischen Republik. Sie plausibilisieren das Zustandekommen einer Veranstaltung wie jener in Bleiburg/Pliberk, indem deutlich wird, wie zentrale Figuren der kroatischen Missionen die Institution der kirchlichen Messe über Jahrzehnte als Vehikel revisionistischer Geschichtserzählung zur Verfügung stellen. Nachfolger(_innen) der frühen Mitglieder folgen bis heute in derselben ideologischen Tradition und mobilisieren für Veranstaltungen wie eben jene des Bleiburger Ehrenzugs über die Pfarrgemeinde, Publikationen sowie explizite Ankündigungen und Transportkoordination.Die politischen Elite der HDZ und das kulturelle Feld
Die angesprochene HDZ tritt ihre Vermittlerinnenrolle Anfang der 1990er an und für damit die Moderation nationalistischer Agenden seit Ausbruch der Jugoslawienkriege. Für Tudjman und die HDZ wird die Frage nach der Nation zur politischen Priorität. Mehr als irgendeine andere politische Gruppe schafft sie es, sich als Gegenstück zu Miloševićs extremem Nationalismus zu etablieren und damit nicht nur ein großes Elektorat anzuziehen (und zu beeinflussen) (Duraskovic 2016: 775), sondern auch andere radikal rechte Vereinigungen zu schlucken. Mit der HDZ an der Macht in der neuen Republik Kroatien gelangt der Bleiburger Ehrenzug zur Prominenz einer staatlich geförderten Veranstaltung, die ähnlich einer Weihnachts- oder Neujahrsmesse über massenmediale Programme wie jenes des öffentlich-rechtlichen Senders HRT übertragen wird.Verweise
[1] Anmerkung: Über die Verbindungen der HOP in Österreich waren im Rahmen dieser Recherche keine verlässlichen Quellen zu finden. Gegenwärtig wird unterm dem Namen HOP ein Online-Nachrichtenmagazin mit rechtsextremen Inhalten betrieben.Literatur
- Buchenau, K. (2005). Titos Alptraum - Die Katholische Kirche und die kroatische Diaspora. In I. Keul (Hg.), Religion, Ethnie, Nation und die Aushandlung von Idenität(en) (S. 13-46). Frank & Timme.
- Duraskovic, S. (2016). National identity-building and the "Ustasa-nostalgia" in Croatia: the past that will not pass. Nationalities Papers - The Journal of Nationalism and Ethnicity, 44:5 , S. 772-788.
- Kolsto, P. (2010). Bleiburg: The Creation of a National Martyrology, 62:7. Europe-Asia Studies , S. 1153-1174.
- Skrbis, Z. (1999). Long-Distance Nationalism: Diasporas, Homelands and Identities. Brookfield: Ashgate.
- Stojarová, V. (2014). The Far Right in the Balkans. Manchester University Press.